DIE MEROWINGER: Familiengruft
Stall und übe weiter!«, befahl sein Vater. »Und lass dich erst wieder blicken, wenn du es kannst!«
Der Junge hob das Beil auf und trollte sich. Remigius trat nun hinter der Stallwand hervor, wo er einen Augenblick gewartet und die unter der Buche versammelte Gesellschaft beobachtet hatte.
Alle hatten Becher und Bierkannen vor sich. Das bedeutete wohl, dass er an diesem Abend kaum noch Gelegenheit finden würde, den König allein zu sprechen. Das ärgerte ihn ein bisschen. Nichtsdestoweniger setzte er seine heiterste Miene auf, strich im Vorbeigehen dem schluchzenden Knaben tröstend über den Blondschopf und trat vor den König.
»Salve, rex Francorum!«
»Salve, episcopus.«
»Halleluja!«, sagte Ursio.
»Halt’s Maul!«, sagte Chlodwig.
Bobo und Ansoald feixten. Potitius stand von der Bank auf und verbeugte sich gegen den Bischof.
»Du solltest ihm dieses Wort nicht verbieten«, sagte Remigius lächelnd zum König, und mit einem kurzen Blick himmelwärts fügte er hinzu: »Der Herr hört es gern, wenn man zu seinem Lobe aufruft.«
»Meinetwegen«, erwiderte Chlodwig. »Aber so war es wohl nicht gemeint. Na, setz dich zu uns. Nur fang nicht an, uns etwas zu predigen. Wir stecken in einer ernsten Beratung.«
Remigius setzte sich in respektvollem Abstand an der Seite des Königs auf die Bank. Erst jetzt nahm auch Potitius wieder Platz. Dabei zog er sein Mondgesicht in ernste Falten und nickte dem Bischof bedeutsam zu.
»Wie ich sehe, hast du dazu einen Gast aus Reims geladen«, sagte Remigius neugierig, »so dass ich annehmen darf, die Angelegenheit betrifft unsere Stadt. Vielleicht kann ich helfen oder wenigstens raten.«
»Warum nicht?«, sagte Chlodwig. »Du bist doch ein Wundermann. Schaff mir meine Vettern vom Halse, dieses verdammte Räuberpack. Tu ein Wunder, schick sie zur Hölle!«
»Ein Wunder mit Hilfe unseres Herrn sollte nicht Tod und Vernichtung bewirken, sondern immer nur Gutes«, erwiderte der Bischof sanft.
»Aber das wäre sogar etwas sehr Gutes. Etwas Besseres gäbe es gar nicht.«
»Haben denn deine Verwandten sich schuldig gemacht? Haben sie so sehr deinen Zorn erregt?«
»Die von Cambrai sind wieder frech geworden«, sagte Bobo mit einem scheelen Blick auf den Bischof. »Wer weiß, wer sie dazu anstiftet!«
»Meint ihr die Herren Ragnachar und Richar?«
»Wen sonst?«, sagte Ansoald. »Die kommen einfach über die Grenze. Brennen, morden, stehlen Leute und Vieh. Da sitzt der Geschädigte!«
Alle blickten zu Potitius hin.
»Dabei hat es mich so viel Mühe und Geld gekostet, das Gut wieder hochzubringen«, sagte Potitius seufzend, mit wichtiger Miene. »Schon einmal ist es ja von Banditen völlig ausgeraubt worden und …«
Er unterbrach sich erschrocken, wagte nicht weiterzusprechen und starrte den König mit offenem Mund an.
Die drei Gefolgsmänner tauschten Blicke.
»Ja«, sagte Chlodwig, der keine Miene verzog. »Das hatte sich damals gelohnt. Ich erinnere mich gern an unsern Besuch bei dir. Du erinnerst dich wohl weniger gern …«
»Oh, es war … es war eine große Ehre für mich«, stotterte der galloromanische Aristokrat, wirr vor Angst, seiner unbedachten Bemerkung wegen. »Ich hatte nur nichts davon geahnt …«
Jetzt konnten Bobo, Ansoald und Ursio nicht mehr an sich halten und brachen in ein Gelächter aus.
»Schade, dass er es nicht geahnt hat!«, rief Bobo.
»Vielleicht hätte er uns sonst eingeladen!«, rief Ursio.
»Und die vielen guten Kerle, die dabei draufgingen, wären am Leben geblieben«, meinte Ansoald.
»Ja, wir haben klein angefangen, und es hat viele Opfer gekostet, bis wir erreicht hatten, was wir wollten«, bemerkte Chlodwig sinnend, als die drei sich beruhigt hatten. »Auch andere, die nicht mit uns waren, mussten Opfer dafür bringen. Ich hoffe, du trägst uns nichts nach, Potitius …«
»Oh, nein … im Gegenteil, ich bin stolz darauf, dass ich ein Opfer bringen durfte!«, stieß der Gutsbesitzer, den Chlodwig und seine Leute einst ausgeraubt und misshandelt hatten, hastig hervor.
»Nun lebst du in einer starken Francia, wo es dir bessergeht als vorher.«
»Ja, so ist es. Es geht mir besser!«
»Um dein Recht brauchst du dich jetzt nicht mehr zu sorgen. Wenn dir Unrecht geschieht, gehst du einfach zum König, und er empfängt dich wie einen Freund. Gab es das vorher?«
»Nein, das gab es nicht. Es geht mir jetzt wirklich viel besser!«
»Auch seinem Arschloch geht es jetzt besser«, bemerkte Ursio und stieß einen
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