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DIE MEROWINGER: Familiengruft

DIE MEROWINGER: Familiengruft

Titel: DIE MEROWINGER: Familiengruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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hatte er ihr ein Wort von Liebe gesagt, jetzt wiederholte er sein Geständnis unablässig wie ein Verzweifelter: Er liebe sie, was auch geschehen werde, geschehen müsse. Und alles möge sie ihm verzeihen – alles, was war und was kommen werde. Ja, was noch kommen werde, das ganz besonders!
    Sonst hatte er sich meist schon bald von ihr abgewandt und war eingeschlafen. In dieser Nacht schien er einen in vielen Jahren aufgestauten, überreichen Vorrat an Liebesverlangen auf einmal zu verschwenden. Das arme Weib gab sich arglos und glücklich hin, ganz außerstande, nach einer Erklärung zu suchen oder gar eine zu finden. Und als er sich endlich beim ersten Sonnenstrahl von der Pritsche erhob, blieb sie liegen und war gleich entschlummert – erschöpft, mit dem Ausdruck vollkommener Seligkeit, der ihre harten, gealterten Züge mit einem mädchenhaften Schmelz überzog.
    Ein letztes Mal beugte sich Chlodwig über sie. Er strich ihr über das graue Haar und drückte seine Stirn gegen die ihrige. Dann lud er die Schlafende auf seine Arme und trug sie über den Gang zurück in die Kammer.
    Baddo erwartete ihn am Tor mit den Männern der Eskorte.
    »Du hast verstanden«, sagte Chlodwig. »Sie bleibt hier und darf nicht mehr hinaus. Alles ist ihr erlaubt, nur eines nicht – diesen Ort zu verlassen!«
    »Es wird geschehen, wie du befiehlst, König.«
    Chlodwig kehrte nicht mehr ins Lager zurück und schlug mit der Hundertschaft den Weg nach Soissons ein.

Kapitel 9
    Als der König kurz vor Sonnenuntergang in seiner Hauptstadt eintraf, wurde er am Tor von Ansoald erwartet.
    »Du bist schon zurück?«, fragte Chlodwig erstaunt.
    »Seit heute Mittag.«
    »Hoffentlich nicht allein.«
    »Was denkst du von mir! Beinahe hätte ich sogar zwei Bräute mitgebracht.«
    »Wie?«
    »Die beiden Schwestern dachten, dass ich selbst der königliche Bräutigam sei und mich nur als Gesandter verkleidet hätte. Da stritten sie und schlugen sich sogar. Keine wollte verzichten.«
    »Spaßvogel.«
    Chlodwig saß ab, und sie gingen, von wenigen Leibwächtern begleitet, das kurze Stück zum Palast zu Fuß. Der König hatte – bis auf eine kurze Unterbrechung zur Mittagsrast – den ganzen Tag zu Pferde gesessen. Er schwankte vor Müdigkeit und stützte sich auf Ansoalds Schulter. Aus seinem tiefgebräunten, mit einer Staubschicht bedeckten Gesicht leuchtete die Hiebnarbe wie eine dünne Mondsichel. Seine Kleidung war in erbärmlichem Zustand.
    »Zu dumm«, sagte er. »Ich hatte euch frühestens morgen erwartet. Wollte rechtzeitig zurück sein und sie selbst in Empfang nehmen. Nun also, rede! Wie ist sie?«
    »Was verlangst du von mir?«, erwiderte Ansoald. »Soll ich dir eine Göttin beschreiben? Dafür ist mein Latein zu schlecht. Und unsere Frankensprache reicht dazu nicht aus.«
    »Halleluja hat also nicht übertrieben.«
    »Eher das Gegenteil.«
    »Und wo steckt sie jetzt?«
    »Bei ihren Christianern.«
    »Bleibt Zeit, mir den Dreck von der Schwarte zu schrubben. Wie war es bei Gundobad in Lyon? Machte er Schwierigkeiten, der Oberkönig?«
    »Das nicht, dazu nahm er sich nicht die Zeit. Er empfing uns nur kurz nach dem Frühmahl. Sah aus, als hätte er eine Ratte verspeist und dazu Essig getrunken. Tat so, als sei er noch immer der große Kaisermacher. Über die Heirat sprachen wir kaum. Vor allem wollte er wissen, wie es mit dir und Alarich steht. Anscheinend hat er Angst, ihr könntet euch gemeinsam ein bisschen gütlich tun wollen – auf seine Kosten.«
    »Du hast ihn hoffentlich darüber im Unklaren gelassen.«
    »Versteht sich. Ich habe nur sehr allgemein von Frieden und guter Nachbarschaft geredet.«
    »Er hatte also nichts einzuwenden?«
    »Ich fragte ihn zum Schluss, als seine Türsteher uns schon beinahe hinausgedrängt hatten, ob er nun deiner Heirat mit seiner Nichte zustimme. Da machte er noch mal sein Essiggesicht und eine Handbewegung … so! Der scheint uns noch immer für eine Räuberbande zu halten, der er ein Opfer bringen muss, um nicht weiter belästigt zu werden.«
    »Und der andere? Der in Genf?«
    »Godegisel? Ganz das Gegenteil. Rühmt dich als einen Mann, wie ihn Gallien seit Cäsar nicht mehr gesehen habe. Der sucht deine Freundschaft, und zwar sehr heftig. Seinen Bruder hasst und beneidet er, am liebsten würde er ihn wohl mit deiner Hilfe beiseiteräumen. So etwas deutete er an. Immer wieder betonte er, dass er so gut wie unabhängig sei und selber Bündnisse schließen könne. Und größten Wert legt er darauf,

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