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DIE MEROWINGER: Familiengruft

DIE MEROWINGER: Familiengruft

Titel: DIE MEROWINGER: Familiengruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Anrede.
    Sollte er mit einer feierlichen Verbeugung so beginnen: »Willkommen, edles Fräulein, in meiner Burg, ich bin glücklich, deine Bekanntschaft zu machen!«?
    Oder sollte er einfach nur sagen: »He, Kleine! Das trifft sich ja gut. Zufällig komme ich hier vorbei, um die Wachen zu kontrollieren …«?
    Er konnte sich nicht entscheiden – und wurde plötzlich der Mühe enthoben. Das Mädchen richtete sich auf, hob den Kopf und streckte die Arme mit den geöffneten Händen himmelwärts. Dazu schloss sie die Augen und bewegte murmelnd die Lippen. Zweifellos betete sie.
    Chlodwig hatte die Christianer schon öfter in dieser Haltung mit ihrem Gott sprechen sehen und wollte sie dabei nicht stören. Er hatte auch allen Grund, sich erst einmal zu fassen.
    Nein, er konnte sich nicht täuschen: Das war wohl das reizendste Mädchen, das ihm jemals begegnet war. Jedenfalls erinnerte er sich nicht, dass ihm ein weibliches Wesen schon einmal gleich auf den ersten Blick so gefallen hatte.
    Gab es etwas Schöneres als dieses ovale Gesicht mit der hohen Stirn, in die ein paar winzige, unbotmäßige Löckchen fielen?
    Diesen zarten Hals, dieses runde und doch kraftvolle Kinn, diese vollen roten Lippen, diese schmalen, wohlgebildeten Schultern, diese schlanken Arme, diese keck aufwärtsstrebenden, festen, die Tunika spannenden Brüste?
    Wahrhaftig, dachte Chlodwig, Halleluja ist ein vertrauenswürdiger Mann und ehrlicher Heiratsvermittler, er hat mich nicht hereingelegt.
    Nur ihre Augen hatte er noch nicht gesehen, sie hielt sie ja beim Beten geschlossen.
    Eine Ewigkeit schien es zu dauern, bis sie sie endlich aufschlug. Und da war er es denn, der einen Schreck bekam. Sie wandte sich ihm sofort zu, sah ihn an. Es waren große, glänzende Augen. Unter den dichten Wimpern und hoch geschwungenen Brauen hatte der Blick etwas feierlich Strenges.
    Doch der Mund verzog sich zu einem sanften Lächeln, als die Schöne jetzt langsam näher trat, vor Chlodwig stehen blieb, zu ihm aufsah, ihn ansprach.
    »Ist es nicht wunderbar«, sagte sie mit dunkel getönter Stimme, im reinsten Latein, »dass alles, was wir sehen, durch Gottes Wort aus dem Nichts geschaffen wurde? Muss man nicht den verehren, der Himmel und Erde gemacht hat? Der die Sonne auf- und untergehen lässt, der den Himmel mit Sternen schmückt, der die Erde mit Tieren, die Luft mit Vögeln und das Wasser mit Fischen bevölkert hat? Und der nach seinem Bilde den Menschen schuf, damit ihm alle Kreatur untertan sei und ihm willig diene? Muss man an diesen Gott nicht glauben?«
    Chlodwig schwieg und starrte das Mädchen unverwandt an. Er war zu verblüfft, als dass ihm auf diese seltsame Anrede irgendetwas als Antwort einfiel. Es wurde auch keine erwartet.
    Überraschend wechselte die Miene der jungen Dame von feierlicher Entrücktheit zu kühler Freundlichkeit, und ihre Stimme wurde heller und fester, als sie ganz unbefangen sagte: »Du bist Chlodwig, habe ich recht? Das erriet ich gleich, als du mit Ansoald dort heraufkamst. Ganz so schrecklich, wie dich alle beschreiben, siehst du ja gar nicht aus. Du kommst wohl direkt vom Schlachtfeld? Hast du wieder gesiegt? Natürlich, das ist ja für dich nichts Besonderes. Ich war heute Mittag ein bisschen enttäuscht, weil du nicht da warst, um mich zu begrüßen. Dein Palast gefällt mir ganz gut, ich habe mich schon ein bisschen umgesehen. Wenn wir verheiratet sind, werde ich aber manches verändern müssen. Oh, es wird kühl hier oben! Wir sollten hinuntersteigen.«
    Sie zog die Palla, das blaue Umschlagtuch, fest um die Schultern und ging voran. Chlodwig, der sich von seinem Erstaunen noch nicht ganz erholt hatte, folgte ihr.
    Sein königliches Wort an sie zu richten, war ihm bisher nicht gelungen.

Kapitel 10
    Am liebsten hätte Chlodwig die Hochzeit schon an einem der nächsten Tage gefeiert. Doch es bedurfte einiger Zurüstungen, die ihre Zeit brauchten. So musste man auf Gäste aus den entfernteren Teilen der Francia Rücksicht nehmen, die einen langen Weg hatten. Chlodwig hätte zwar auf sie verzichtet, doch ließ er sich überzeugen, dass eine königliche Hochzeit die beste Gelegenheit sein würde, mit großem Aufwand seine neue Macht und die Einheit aller Teile seines Reiches zu demonstrieren.
    Vor allem war es seine energische Schwester Lanthild, die darauf drang und die als heimlicher – und doch allgegenwärtiger – Comes von Soissons die Vorbereitungen in die Hand nahm.
    Eifrig half ihr dabei Remigius. Seit er ihr und

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