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DIE MEROWINGER: Familiengruft

DIE MEROWINGER: Familiengruft

Titel: DIE MEROWINGER: Familiengruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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wurde er angegriffen.
    Der ältere Wolf kam heran und schnappte sich das Stück Fleisch. Der junge wagte nicht, es ihm streitig zu machen. Begehrlich starrte er auf das Fleisch, hielt aber respektvoll Abstand, während der andere fraß und nur ab und zu drohend aufblickte.
    »Gib ihm nichts!«, sagte Chlodwig zu einem Knecht. »Er muss lernen, sich selbst zu verschaffen, was er braucht. Was sagt ihr zu meinem neuen Fang?«, wandte er sich an die Zuschauer hinter dem Zaun. »Ist er nicht hübsch?«
    »Wenn er noch wächst, sieht er aus wie dein Zwillingsbruder«, sagte Ursio.
    Der König lachte.
    »Du schmeichelst ihm. Als ich jung war, war ich schon weiter als er. Ich ließ mir von meinen älteren Verwandten die Brocken nicht wegschnappen.«
    Lachend gingen alle hinüber zu den Pferdeställen und setzten sich an den Tisch unter der Buche.
    Als das Gespräch nun auf das Hochzeitsfest kam und Lanthild verwundert fragte, ob der königliche Bruder selbst Einladungen an Verwandte verschickt hatte, gab er ihr keine Antwort. Aber er wollte noch einmal wissen, ob weitere Gäste in Soissons eingetroffen waren. Als sie bejahte, ließ er sich Namen nennen. Eingehend erkundigte er sich nach einem Clogio aus der Gegend von Bavai, an dessen Besuch ihm besonders lag.
    »Wenn du den Brudersohn unseres Großvaters meinst, den konnten meine Boten nicht finden«, sagte Lanthild. »Vielleicht ist er gestorben oder fortgezogen.«
    »Und sind andere Merowinger gekommen?«
    »Kein Einziger. Nur ein paar Frauen. Keine Männer.«
    »Und keine Knaben?«
    »Nein.«
    »Sieh einmal an.«
    Der König zog die Brauen hoch und tauschte einen Blick mit Ursio.
    »An mir lag es jedenfalls nicht«, beteuerte Lanthild, »auch nicht an meinen Boten. Du hättest dich mehr um unsere Verwandten kümmern sollen. Man könnte meinen, dass sie sich vor dir fürchten und sich verstecken. Aber du sagtest, gerade heute …«
    »Ja, es sind einige hier angekommen. Nicht wenige sogar. Willst du ihre Bekanntschaft machen?«
    »Wo sind sie denn?«
    »Im Keller.«
    »Im Keller?«
    »Sie besichtigen den Familienschatz.«
    Der König trank noch einen Schluck und stand auf. Er gab Lanthild ein Zeichen, sie möge ihm folgen.
    Sie sah Ansoald an, der sie feixend mit einer Geste ermunterte. Zögernd erhob sie sich.
    Chlodwig führte sie erst zum Hauptgebäude des Gutes, dann aber daran vorbei und zu einem kleinen Waldstück. In dessen Mitte, die sie nach wenigen Schritten erreichten, erhob sich der flache Felsen, unter dem sich das Kellergewölbe befand. Stufen führten hinab zu einer eisenbeschlagenen Tür.
    An der steinernen Wand steckte eine brennende Fackel, Chlodwig nahm sie von der Halterung. Aus dem Lederbeutel an seinem Gürtel brachte er einen Schlüssel zum Vorschein, mit dem er nicht ohne Mühe das schwere römische Schloss öffnete.
    Sie betraten das niedrige Gewölbe des Felsenkellers. Ringsum waren Kammern tief in den Stein gehauen. Einige waren leer. In anderen, die vergittert waren, standen die Truhen, in denen ein Teil des Schatzes aufbewahrt wurde.
    Ein starker Verwesungsgeruch schlug ihnen entgegen. Lanthild presste ihr Halstuch vor das Gesicht, wollte sich abwenden und zurückziehen.
    Aber Chlodwig hielt sie fest. »Es dauert nur einen Augenblick. Ich will, dass du sie siehst. Damit du dich nicht mehr fragen musst, warum die Nachfahren unserer göttlichen Ahnen nicht an meiner Hochzeitstafel sitzen wollen.«
    Er zerrte sie tiefer in das Gewölbe, wo an einer steinernen Säule eine aus rohen Brettern gefügte Kiste stand. Da er mit einer Hand die Fackel, mit der anderen den Arm seiner Schwester hielt, stieß er den Deckel mit dem Fuß auf.
    Lanthild schrie auf.
    Die Kiste war mit menschlichen Köpfen gefüllt, langhaarigen männlichen Köpfen. An dem faulenden Fleisch, das im Fackellicht kaum noch die Züge erkennen ließ, hingen, verworren und miteinander verfilzt, graue, blonde und dunkle Mähnen. Die bleckenden Zähne ließen erkennen, dass auch Greise und Kinder darunter waren.
    »Merowinger!«, sagte Chlodwig. »Die Festgäste, unsere Verwandten. Kranke Triebe eines starken Gewächses. Baddo schickt sie mir, er ist mein Gärtner. Er beliefert mir diese Gruft. Er lässt mir ausrichten, dass eine zweite Sendung folgen wird.«
    Lanthild wandte sich taumelnd ab. Sie hielt sich nur aufrecht, weil Chlodwig ihren Arm gepackt hatte. Tränen erstickten ihre Stimme.
    »Du bist kein König«, stieß sie hervor. »Du bist ein Verbrecher!«
    Er lachte

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