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DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

Titel: DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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habe mich, wie es aussieht, schuldig gemacht. Wenn du mich hinrichten lässt, ist es mir vorbestimmt. Dann ist es Götterwille.«
    Der König warf das Messer von sich, beugte sich etwas vor und starrte dem anderen lange und aufmerksam ins Gesicht.
    »Ich erkenne dich nicht wieder«, sagte er. »Aber das Auge … es ist das linke. Du könntest es sein. Du verlorst es durch mich.«
    »Das ist vergessen. Es war ein Unfall. Als Kinder gerieten wir in Streit und warfen mit Steinen. Einer traf mich ins Auge.«
    »Wir wollten uns gegenseitig ans Leder. Aber dann wurden wir noch Freunde.«
    »Blutsbrüder. Wir zapften Blut in unsere Becher, und jeder trank aus dem des anderen. Das ist ein Bund für alle Zeiten. Untrennbar.«
    »Aber wie kommst du in diese Lage? Ich hörte, du warst Reiterhauptmann im Heer des Syagrius.«
    »Das war ich noch vor einem Monat. Jetzt werde ich von ihm verfolgt. Als Opfer eines schändlichen Spiels. Ich werde dir alles berichten, wenn du dir Zeit nimmst, mir zuzuhören. Ich werde mich rechtfertigen und beweisen, dass ich dein Vertrauen verdiene. Vielleicht etwas mehr Vertrauen als der dort!«
    In diesem Augenblick kroch hinter ihnen der kleine Dagulf aus dem Gebüsch. Er stellte sich mühsam auf seine krummen Beine und machte ein paar unsichere Schritte.
    »Ich musste deinen obersten Wächter ein bisschen würgen«, sagte der Flüchtling. »Aber er kommt ja schon wieder zu sich.«
    Der Anblick des torkelnden Kommandanten war so unwiderstehlich erheiternd, dass Chlodwig den Lachreiz nicht unterdrücken konnte.
    »Ausgeschlafen?«, rief er. »Hast du ein Nickerchen im Gebüsch gemacht, während man deinen König umbringen wollte?«
    Kurz darauf trat Chlodwig zwischen die niederbrennenden Feuer. Seine Hand lag auf der Schulter des Einäugigen.
    »Alle mal herhören!«
    Der Befehl war nicht nötig. Die Männer waren bereits verstummt und blickten erstaunt auf den Ankömmling.
    »Das ist doch der Kerl aus dem Wald!«, rief einer.
    »Ja«, sagte Chlodwig, »das ist der Kerl aus dem Wald. Das ist mein alter Freund Baddo, mein Blutsbruder! Mancher wird sich an ihn erinnern, wir haben als Kinder zusammen gespielt. Er ist der Sohn des Badegisel, der sich mit meinem Vater überwarf, nach Soissons ging und in die Dienste des Patricius trat. Was blieb Baddo übrig, als mit seiner Familie zu gehen. Aber jetzt ist er zu mir zurückgekehrt. Und, Männer, gleich hat er mir einen Beweis seiner alten Freundschaft und Treue gegeben! Als Feind hätte er mich umbringen können, weil diese Burg von Blinden, Tauben und Säufern bewacht wird. Er zeigte mir, dass ich zuverlässige Männer brauche. Deshalb wird er zur Probe bei uns aufgenommen. Er wird uns auf unserm Zug begleiten und uns beweisen, was er wert ist. Gebt ihm eine Strohmatte und eine Decke. Und morgen früh Kleidung und Schuhe. Waffen bekommt er von mir.«
    Diesen Worten des Königs folgte ein unruhiges Gemurmel.
    Ansoald rief: »Bist du sicher, Chlodwig, dass du den Mann nicht mit jemandem verwechselst? Wenn er so zuverlässig und treu ist … warum schleicht er im Wald umher und steigt nachts über Zäune?«
    »Vielleicht ist er ein zuverlässiger, treuer Spion!«, schrie Ursio.
    Einige der Betrunkenen lachten.
    Bobo zog einen brennenden Ast aus dem Feuer, erhob sich und leuchtete in das abgezehrte, bleiche Gesicht des Einäugigen.
    »Ein Spion ist er wohl nicht«, sagte er gedehnt. »Aber vielleicht …« Er streckte die Hand aus und griff in das wirre, schwarze Haar. Gleich darauf hatte er das rechte Ohr freigelegt, das von dünnen Strähnen nur halb bedeckt war. »Vielleicht … nein, sicher ist er ein Sklave!«, vollendete er den Satz und riss an dem Ohr den Kopf so heftig herum, dass Chlodwig nun im Schein des brennenden Astes die tiefe Kerbe bemerkte, die in die Muschel geschnitten war. Die Ränder waren noch verschorft, der Einschnitt schien frisch zu sein.
    Die Zeichnung am Ohr war für einen Sklaven – abgesehen vom Tode – die schlimmste Form der Bestrafung.
    Chlodwig starrte auf das verräterische Mal, schwieg aber.
    Seine Hand blieb auf der Schulter des Mannes liegen, der fest zu ihm aufsah und mit seiner tiefen, ruhigen Stimme sagte: »Ja … das haben sie aus mir gemacht – einen Sklaven. Ich war schon mit einem Treck unterwegs, zu einem der Märkte in Spanien. Es gelang mir, zu fliehen und mich hierher durchzuschlagen. Urteile nicht aufgrund dieser Schändung, die sie mir zugefügt haben. Du wirst mich freisprechen, wenn du meine

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