DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums
Geschichte gehört hast.«
»Es wird so gemacht, wie ich befohlen habe«, sagte Chlodwig zu Bobo. »Versorgt ihn! Und keiner soll wagen, ihn anzurühren. Gebt ihm morgen früh auch ein Pferd. Er gehört von jetzt an zur zweiten Abteilung.«
Es gab keinen weiteren Widerspruch, und der König fuhr fort: »Was sitzt ihr hier überhaupt noch herum und sauft und lärmt? Legt euch nieder, es wird früh hell, und ihr werdet das bisschen Schlaf brauchen. Denkt daran: Wir sind zwei Tage unterwegs, haben eine Nacht lang zu tun und brauchen mindestens drei Tage für den Rückweg. Wer müde und schlapp ist, den erwischt es zuerst. Und es ist dann nicht einmal schade um ihn!«
Kapitel 5
Es erwischte sechsundzwanzig Mann, aber das war nicht ungewöhnlich bei einer solchen Unternehmung. Es hatte schon größere Verluste gegeben.
Die meisten Toten hinterließ ein Kampf mit Viehdieben, die es zufällig in derselben Nacht auf dieselbe Herde abgesehen hatten. Die anderen hatten gesiegt, wenn auch ebenfalls mit hohen Verlusten, und hatten die Herde fortgetrieben. Zwei Mann waren davongekommen und hatten berichtet, dass die anderen – nach ihrer Sprache zu urteilen – Tongerer waren.
Chararichs Leute, dachte Chlodwig erbittert. Der Vetter, dieser Hund, kommt mir dauernd in die Quere. Eine Plage sind solche Verwandten!
Er war missgestimmt, denn unter den sechsundzwanzig Getöteten waren drei, um die es ihm leidtat und die ihm fehlen würden. Es gab nicht viele von der Art – Männer, die imstande waren, größere Haufen zu führen. Nur wenige besaßen den Verstand und das Geschick, nach einem vorgefassten Plan zu handeln und sich dabei nicht durch die vielen kleinen, unvorhersehbaren Zwischenfälle beirren zu lassen. Alle drei waren beim Sturm auf die Unterkünfte der Knechte erschlagen worden.
Es hatte dort überraschend starken Widerstand gegeben, weil in den Häusern außer den Sklaven auch viele Kolonen untergebracht waren. Diese Halbfreien waren während der Erntezeit dem Herrn der Domäne leistungspflichtig. Sie hatten sich wütend verteidigt, wussten sie doch, was ihnen blühte, wenn man sie einfing: Sie verloren dann auch ihre halbe Freiheit und würden die Heimat und ihre Familien nie wiedersehen. Während die Sklaven sich wie erwartet nur schwach gewehrt und viele sich sogar widerstandslos ergeben hatten (denn es änderte sich ja kaum etwas an ihrem Schicksal), waren die Kolonen auch auf dem Marsch noch aufsässig und unternahmen trotz strenger Bewachung Fluchtversuche.
Immerhin hatten die Franken über dreihundert Männer, Frauen und Kinder gesund und unversehrt aufgebracht. Bobo hatte Chlodwig schon vorgerechnet, sie würden im Herbst, wenn die Händler kamen, mindestens einhundertfünfzigtausend Solidi einbringen.
Dieser Gedanke heiterte den König ein wenig auf, während er schweigsam dem endlosen Treck voranritt.
Auch sonst entsprach die Ausbeute den Erwartungen. Hochbeladene Karren mit Getreide und anderem Beutegut wurden mitgeführt. Fast achthundert Tiere waren von den Weiden getrieben, viele wertvolle Zugochsen und Milchkühe darunter. Das Fleisch der Schweine würde den Winterbedarf der Festung sichern. So viele Pferde wurden eingefangen, dass die Tournaier ihre Fußtruppe endlich durch eine Reiterei verstärken konnten.
Diese Reiterei sollte unverzüglich aufgestellt werden, und Chlodwig wusste auch schon, wen er zu ihrem Befehlshaber machen würde: Baddo.
Dies war ein weiterer Gewinn bei dem Unternehmen – ein fähiger Anführer, der den Verlust der drei Erschlagenen sogar in gewisser Weise ausglich.
Der Überfall auf die besonders scharf bewachte Pferdekoppel war eine taktische Meisterleistung des Einäugigen und zerstreute den letzten Zweifel daran, dass es tatsächlich Baddo war, der einstige Reiterhauptmann des römischen Statthalters.
Chlodwig beschloss auch, ihn künftig in den inneren Kreis der Gefolgschaft aufzunehmen. Obwohl er noch immer nicht seine Geschichte kannte, war ihm Baddo in diesen Tagen schon fast wieder so vertraut geworden, als hätte es niemals die zehn Jahre der Trennung gegeben.
Im Grunde konnte der zwanzigjährige König mit sich zufrieden sein. Er hatte getan, was getan werden musste. Es war jetzt seine wichtigste Aufgabe, dafür zu sorgen, dass er mit seinem salfränkischen Stammesvolk über den nächsten Winter kam. Dieses Volk wuchs beängstigend an, vor allem durch ständigen Zuzug von jenseits des Rheins, aus den alten germanischen Gauen. Stets drohten Hungersnöte
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