Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

Titel: DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
Vom Netzwerk:
baldmöglichst abzureisen.
    Remigius fehlte nach der durchlittenen Nacht die Kraft zu protestieren, und so fügte er sich. Und Chundo musste froh sein, so billig davonzukommen. Von dem geraubten Kirchengut war nicht mehr die Rede.
    Die beiden lädierten geistlichen Herren kamen zunächst bei einem Goldschmied namens Linus unter, der einmal Priester der Tournaier Christengemeinde gewesen war. Nach dem vollständigen Rückzug der Römer aus dem nordöstlichen Teil Galliens und der Flucht fast aller Christen in die römisch gebliebenen Gebiete hatte die Gemeinde zu existieren aufgehört. Linus hatte eine alte Liebhaberei zum Beruf gemacht und beschränkte sich nun darauf, seine vorwiegend heidnische Kundschaft kostenlos mit Ratschlägen aus der Heiligen Schrift zu versorgen.
    Wenn Remigius Tournai besuchte, versäumte er nie, seinen letzten Getreuen aufzusuchen und ihm Mut zuzusprechen. Diesmal benötigte er allerdings selber Trost und Zuspruch, denn er hatte sich in der feuchtkalten Kerkernacht eine starke Erkältung zugezogen.
    Noch schlimmer dran war der Diakon Chundo, der unter den Folgen der rohen Behandlung litt und sich tagelang kaum bewegen konnte. Der junge Subdiakon pflegte die beiden. Da auch er nach dem Feuerausbruch bedroht worden war, hatten ihn die bischöflichen Leibwächter kurzerhand in den Wagen gesetzt und gleich zu Linus gebracht.
    Nach drei Tagen fühlte sich Remigius so weit wiederhergestellt, dass er Bobolens dringenden Rat befolgen und die Reise fortsetzen konnte. Dem Diakon befahl er, nach Reims zurückzukehren.
    Nach der gemeinsamen Nacht im Verlies, in der man einander zu viele Schwächen offenbart hatte, war das Verhältnis der beiden zerrüttet. Wenn Remigius ursprünglich sogar die Absicht gehabt hatte, Chundo dem jungen König für den Aufbau einer Kanzlei zu empfehlen, konnte davon jetzt nicht mehr die Rede sein. Auf seiner Missionsreise in die anderen fränkischen Kleinreiche wollte er sich nicht mehr mit diesem unberechenbaren Polterer belasten. So begnügte er sich mit der Begleitung des Subdiakons und rumpelte in seiner Carruca davon. Allerdings ließ er einen zurück, in den er noch Hoffnungen setzte.
    Quintus Potitius hatte ihn am Krankenlager besucht und freudig berichtet, dass seine Heiratsangelegenheit auf gutem Wege sei. Er habe, versicherte der mondgesichtige Lockenkopf, unter den Franken schon zahlreiche Freunde und Bewunderer, darunter Leute von großem Einfluss. Und die Schönste der königlichen Schwestern, Audofleda, welche übrigens seinen Anspruch auf eine Gebildete glänzend erfülle, habe sich heftig in ihn verliebt. Bei so viel Zuspruch von allen Seiten könne das Einverständnis des Königs Chlodwig nicht zweifelhaft sein.
    Tatsächlich hatte der junge Aristokrat aus Reims unter den Franken schnell Freunde gewonnen. Müßiggänger gab es in Tournai mehr als genug, und gern zogen sie mit einem durch die zahlreichen Schenken, der ihnen einen Krug Bier bezahlte.
    Potitius ließ die Goldstücke klangvoll über die Tische rollen. Dafür erntete er fröhliche Zustimmung, wenn er mit schwankender Stimme erklärte: »Es ist eine Ehre für euren König, dass sich ein Quintus Potitius zu ihm bemüht! Welche Gelegenheit für ihn, sich mit einer der ältesten und angesehensten Familien zu verbinden! Ihr solltet ihm einen Eilboten schicken, damit er sie nicht verpasst und nicht erst zurückkommt, wenn ich abgereist bin. Einer wie ich kann am Hof des Patricius jede bekommen. Aber ich bewerbe mich hier, weil ich die Franken liebe und so viele Freunde unter euch habe. Und ich bringe die teuersten Geschenke mit … hier … sie sind sicher verwahrt!«
    An dieser Stelle seiner Ausführungen pflegte Potitius seine Tunika über dem Bauch hochzustreifen und die an einer langen, schmalen, kreuzweise über die Brust gezogenen Kette befestigten Geschenke zu zeigen.
    »Ein Armreif für vierhundert Solidi … ein Perlenhalsband für sechshundert … Ohrringe mit Smaragden … damit könnte ich mich um die Tochter des Kaisers in Konstantinopel bewerben …«
    ***
    Mit der Liebe der schönen Audofleda hatte es die folgende Bewandtnis. Die Nachricht, dass ein Freier nach Tournai gekommen sei, hatte natürlich auch diejenigen schnell erreicht, die es betraf – die beiden älteren Schwestern des Königs.
    Audofleda und Albofleda, neunzehn und achtzehn Jahre alt, waren von ihrer jüngeren Schwester Lanthild gleich unterrichtet worden. Ihre Neugier war geweckt, und während ihre Mutter den

Weitere Kostenlose Bücher