DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums
sprangen wieder auf, schlugen mit Fäusten aufeinander ein.
Sofort erhoben sich Parteigänger. Anfangs suchten sie die beiden zu trennen. Doch bald wurden sie selbst miteinander handgemein. Fäuste droschen auf Kinnbacken und Nasenbeine. Harte fränkische Schädel krachten gegeneinander. Gewaltige Pranken würgten Hälse. Fußtritte beschädigten Schienbeine.
In einer Ecke der Halle drängten sich die verschreckten Mägde. Krüge und Becher flogen als Wurfgeschosse hin und her. Nur wenige, vorwiegend ältere Männer hielt es noch auf den Bänken.
Bobo, der die Teilnahme an der gewaltsamen Austragung von Meinungsverschiedenheiten grundsätzlich verschmähte, war ebenfalls an seinem Platz geblieben und beschränkte sich darauf, Ansoalds Gegner mit gelegentlichen Zurufen wie »Hau den Hurenbock um!« und »Brich ihm die Knochen!« anzufeuern.
Dagegen hatte Lanthild die Seiten gewechselt und sich für Ansoald in den Kampf gestürzt. Da sie ihn in Bedrängnis sah, sprang sie seine Gegner von hinten an, krallte sich in ihre Haare, kratzte ihnen die Hälse blutig.
Es konnte nicht ausbleiben – irgendwann im Getümmel würde einer die Regeln verletzen. Die Regeln – bei Streitigkeiten innerhalb der Gefolgschaft hieß das: kein Blut, keine Waffen.
Auf einmal aber blitzte ein Dolch auf. Ein roter Streifen zog sich durch ein behaartes Fell. Einer hielt sich den Bauch und wankte. In einem Schenkel steckte ein Messer. Ein Mann fiel um und wälzte sich brüllend.
Das war der Augenblick, als Chlodwig und Baddo die Halle betraten. »Verdammte Bande!«, schrie Chlodwig. »Mistkerle!«
Er besann sich nicht lange. Riss die Franziska aus dem Gürtel. Packte sie fest und schleuderte sie mitten hinein ins Gewühl.
Ein Schrei – und alles stob auseinander. Einer war an die Wand geheftet. Steckte fest, kam nicht los. Das Wurfbeil hatte den Ärmel seines Kittels und ein Stück seines Oberarms durchschnitten. Fest saß es im Holz. Blut rann die Wand herab.
»Drecksbande!«, brüllte Chlodwig. »Bissige Hunde! Mir aus den Augen! Weg mit euch! Verschwindet! Raus! Kühlt euch ab!«
Mit einem Riesensatz sprang er über die Tische und riss das Beil aus der Wand und dem Arm des Mannes, der abermals aufschrie.
»Alle raus! Ich will keinen mehr sehen! Was steht ihr herum? Verschwindet! Oder soll ich erst einem den Schädel spalten?«
Plötzlich waren sie alle ganz friedlich und blickten wie unschuldige Kinder. Sie kannten diese unverhofften, gefährlichen, an Wahnsinn grenzenden Zornesausbrüche. Sie wussten, dass ihr zwanzigjähriger König keinen Spaß mehr vertrug, wenn er einmal die flammende Wut bekam. Sie waren sicher, dass er, widersetzte man sich, nicht zögern würde, die Drohung wahr zu machen.
Einige grinsten verlegen, andere brachten sich in Ordnung. Alle bewegten sich gehorsam zum Hallenportal und hinaus in den Regen, der draußen auf die Stufen klatschte. Die Verletzten nahmen sie mit. Einer jammerte erbärmlich. Er sollte am selben Abend noch sterben.
Lanthild hatte Ansoald mit ihrem Stirnband eine Wunde am Bein verbunden. Er hinkte, und sie half, ihn zu stützen.
Als sie an Chlodwig vorüberkamen, zischte sie: »Du hättest mich töten können, Bruder!«
»Scher dich zur Mutter!«, knurrte er.
Die Halle leerte sich. Nur einer blieb sitzen: Bobo. Er war nicht dabei gewesen. Sein Freund, der König, konnte ihn nicht gemeint haben. Im Durcheinander der zerbrochenen und umgeworfenen Krüge und Becher hatte er eine Kanne Wein gerettet, aus der er jetzt ganz behaglich trank. Als er die Kanne absetzte, nickte er Chlodwig zu und lächelte.
»Raus!«, sagte Chlodwig.
Bobo deutete erstaunt mit dem Finger auf sich.
Der König machte nur eine ungeduldige Kopfbewegung.
Langsam erhob sich der Dicke und ging rückwärts zum Hallenportal. Bevor er verschwand, warf er Baddo noch einen scheelen Blick zu.
Chlodwig setzte sich auf eine Bank und schob mit dem Arm einen Haufen Scherben vom Tisch. Die verschreckten Mägde lösten sich aus ihrer Ecke, liefen herbei und wollten mit dem Aufräumen anfangen. Er gab ihnen aber ein Zeichen, das sie verscheuchte.
»Die Gefolgschaft kommt immer mehr herunter«, sagte er nach einer Weile. »Fast täglich dasselbe. Streit und Schlägereien. Jetzt werden sie durch die Schenken ziehen und weitermachen. Und das alles, weil es so wenig zu tun gibt. Das ist keine Gefolgschaft mehr, das ist eine Bande von Schlagetots.«
»So kleine Beutezüge sind eben auf die Dauer nicht gut für sie«, sagte
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