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DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

Titel: DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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seinem leinenen Kittel, die das magere, angeröstete Fleisch des frommen Mannes freilegten.
    Nachdem auch dieser Ulk ausgiebig belacht war, zogen die Horden grölend ab, nach der Waldburg.
    Die beiden Geschundenen blieben zurück. Nicht einmal den Esel hatten die Unholde ihnen gelassen. Der Gottesmann betete bis zum Morgen und rief alle Strafen auf die Häupter der Franken herab, die die heiligen Bücher der Christen für Ungläubige bereithalten.
    »Herr, höre die Stimme meines Flehens! Vergelte diesen Verbrechern die bösen Werke! Gib ihnen, was sie verdient haben! Mach sie zuschanden! Vertilge sie mit der Schärfe des Schwertes! Lasse nichts von ihnen übrig, was Odem hat! Siede sie in kochendem Wasser! Röste sie auf dem glühenden Grill! Sie sollen zu Asche werden, zu Spreu im Winde …«
    Als sein Register biblischer Strafen erschöpft war, erfand er noch eigene dazu. Aber der Herr im Himmel blieb taub für das Flehen seines Getreuen.

Kapitel 8
    »Nun erzähle mir endlich deine Geschichte.«
    Chlodwig saß, die Beine nach seiner Gewohnheit angezogen, zwischen zwei Zinnen auf dem halbrunden Turm, seinem Lieblingsplatz.
    Es war die Stunde des Sonnenuntergangs, die er hier gern allein verbrachte, um nachzudenken. Sogar im Winter saß er um diese Zeit hier oben, im Schnee, bei eisigem Wind. Er liebte diese Landschaft im Halblicht, wie von Blut übergossen.
    Diesmal hatte er Baddo erlaubt, mit heraufzukommen. Er zeichnete ihn schon deutlich aus, obwohl sie erst seit wenigen Tagen wieder beisammen waren.
    Es war ein warmer Sommerabend, die Steine waren noch heiß, aber von Westen her zogen Wolken auf. Die beiden jungen Männer hatten eine Kanne Bier mit heraufgenommen, aus der sie abwechselnd tranken. Baddo saß auf dem Boden der Plattform, den Rücken an der Mauer. Sie trugen nur ihre Hosen, und der König hatte seine Franziska am Gürtel, von der er sich niemals trennte. Baddo war ohne Waffen heraufgekommen.
    Zuerst redeten sie noch über dieses und jenes, was beim Überfall auf das Gut des Potitius passiert war. Dann kamen sie auf verschiedene Abenteuer aus ihrer Kindheit zu sprechen. Zum Beispiel die Flucht vor dem Zorn ihrer Väter, als sie gemeinsam ein Pferd zuschanden geritten hatten. Da hatten sie sich von hier oben an einem Seil herabgelassen und mehrere Tage und Nächte im Wald bei einem Köhler versteckt.
    Baddo verlor sich noch in verschiedene Einzelheiten, als Chlodwig ihn plötzlich unterbrach. »Nun erzähle mir endlich deine Geschichte. Ich warte ja schon seit Tagen darauf.«
    »Ja«, sagte Baddo. »Darauf hast du ein Recht. Aber wir hatten zu viel zu tun und sind bis jetzt nicht dazu gekommen.«
    »Fang an. Erzähle.«
    »Es ist eine traurige Geschichte. Sehr traurig.«
    »Potitius nannte dich einen Mörder.«
    »Er sagte die Wahrheit, denn ich bin einer. Es war eine Frau, die mich dazu brachte.«
    »So etwas konnte dir passieren?«
    »Es hätte jedem passieren können. Auch dir, wenn du nicht zufällig König und in meiner Lage gewesen wärst.«
    »Eine Frau könnte mich niemals zu etwas verleiten, was ich nicht wollte!«, sagte Chlodwig überzeugt.
    Baddo nahm einen Schluck aus der Kanne und noch einen. Er hatte Mühe, den richtigen Anfang zu finden.
    »Ihr Name ist Scylla«, begann er schließlich. »Sie ist Griechin, Tochter eines Schiffskapitäns. Der hatte Humor und Weitblick, als er sie ausgerechnet nach einem Ungeheuer benannte. Denn Scylla war bei den alten Griechen die Tochter eines Königs, die ihrer Bosheit und Verräterei wegen in ein Meerungetüm verwandelt wurde. So hat es mir diese Scylla, von der ich rede, einmal erzählt. Das war, als ich mit ihr …
    Aber von Anfang an. Im Gefolge von Julius Nepos, dem vorletzten Kaiser, kam sie aus Dalmatien nach Rom. Ihr Mann, Ogulnius, war Tribun der Leibwache. Irgendwann schickte ihn Nepos in einer Sondermission nach Gallien zu Syagrius. Aber während sein Botschafter noch unterwegs war, wurde der Kaiser aus Rom verjagt. Ogulnius war nun, versteht sich, der Boden in Italien zu heiß geworden, und so blieb er in Soissons. Syagrius machte ihn zum Oberaufseher der Ställe. Ich befehligte, wie du ja weißt, eine Reiterabteilung, und so hatte ich oft mit ihm zu tun. Und eines Tages lernte ich auch seine Frau kennen, diese Scylla. Eine Schönheit … im Gegensatz zu ihrer Namenspatronin. Aber nicht weniger gefährlich, was ich natürlich nicht ahnen konnte. Sie brauchte nur wenige Tage, um mich vollkommen um den Verstand zu bringen. Sie ritt

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