Die Merowinger - Zorn der Götter
sollte das vor sich gehen?«
»Sie könnten zum Beispiel fromme Werke verrichten.«
»Dieser Abschaum und fromme Werke?« Der König lachte verächtlich. Auch ringsum erhob sich Gelächter. Mittlerweile hatten sich viele Zuschauer eingefunden, vorwiegend Knechte und Mägde vom Gut, aber auch ein paar hochrangige Gefolgsleute des Königs.
»Das wäre doch aber ein Spaß!«, krähte Ursio. »Die beiden in Hallelujas Gefolgschaft! Wo sie beten und fasten und schuften müssen. Daran gehen sie ein, König, und wir haben noch etwas zu lachen!«
»Hab Erbarmen! Begnadige sie!«, rief Chlotilde.
Auch Chlodwig gefiel der Gedanke, Chararich und seinen Sohn vor ihrer Beseitigung, die er ja nach Belieben jederzeit nachholen konnte, noch einer grausamen Tortur zu unterwerfen. Für einen entthronten fränkischen Machthaber konnte er sich kaum eine schlimmere vorstellen.
Er steckte die Axt hinter den Gürtel zurück und wandte sich an die beiden Tongerer, die die Verhandlungen zwischen den Gatten mit hoffnungsvollen Blicken verfolgt hatten.
»Wie ihr hört, will euch die Königin retten. Das habt ihr zwar nicht verdient, doch es sei. Wollt ihr Christianer werden, brav beten und fasten und keine Gemeinheiten mehr gegen mich aushecken? Antwortet! Seid ihr dazu bereit?«
»Wir sind bereit!«, schrien Vater und Sohn wie aus einem Munde.
»Gut. Ich schicke euch dem Bischof. Der wird die nötigen Maßnahmen treffen und euch zu Priestern weihen.«
»Die erste Maßnahme kannst du schon selbst treffen, König!«, rief Ursio.
»Wie meinst du das?«
»Lass sie scheren! Die langen Zotteln müssen herunter! Wie können sie denn sonst Priester sein?«
»Ja, das ist wahr«, sagte Chlodwig. »Der Gott der Christianer liebt glatte Köpfe, die wie Ärsche aussehen und in denen auch nicht mehr drin ist. Wo ist Onophrio? Er soll sie scheren!«
»Vetter!«, schrie Chararich kläglich. »Die Haare? Du willst uns die Haare nehmen? Aber sie sind doch unser Schmuck, unser Stolz! Sie bezeugen unsere göttliche Herkunft!«
»So ist es, und deshalb müssen sie herunter. Sonst könnte jemand ja auf den Gedanken kommen, dass ihr noch Merowinger seid. Es muss etwas fallen – ihr habt die Wahl! Die Haare oder der ganze Kopf?«
»Dann lieber die Haare!«, sagte der Sohn des Chararich tapfer.
Der Vater stimmte schicksalsergeben zu.
Ein flinkes Männlein eilte mit Schere und Messer herbei. Onophrio war schon am Hof des Syagrius tonsor gewesen, war irgendwann in Gefangenschaft geraten und diente nun Chlodwig. Im Handumdrehen waren die kleinen Köpfe der Begnadigten kahl wie die Köpfe von Gänsegeiern. Unter dem Gelächter der Zuschauer wurden die beiden gedemütigten Merowinger auf einen Karren gesetzt und nach Soissons gebracht.
Dort gab es zunächst eine Schwierigkeit. Remigius weigerte sich, zwei Heiden ohne jede Vorbereitung zu Priestern zu weihen. Er argwöhnte, dass Chlodwig sich mit dieser Forderung über ihn lustig machen wollte. Sein Bruder Principius ließ sich dagegen von Chlotilde erweichen. Sie wollte nun einmal ein christliches Werk tun und das Leben der beiden Sünder retten.
Chararich wurde zum Priester, sein Sohn zum Diakon geweiht.
Kapitel 8
Mit dem fragwürdigen Zuwachs, den die rechtgläubige Priesterschaft auf diese Weise erhielt, war ein empfindlicher Verlust nicht wettzumachen.
Die Königin konnte sich nicht – wie ihr Gemahl – damit abfinden, dass die Seele ihrer Schwägerin Lanthild an die Arianer verlorengegangen war. Das Bekenntnis der anderen, Audofleda, zu der abscheulichen Häresie musste man aus politischen Gründen hinnehmen. Und die Königin der Ostgoten war ja auch weit weg, irgendwo hinter den Alpen. Ihrer Schwester aber, die laut und anmaßend auftrat, begegnete Chlotilde fast täglich. Unmöglich erschien es ihr, mit Lanthild auf Dauer unter einem Palastdach zusammenzuleben.
Es kam zu mehreren heftigen Auftritten zwischen den Schwägerinnen. Dabei wurde natürlich nicht über die Fragen gestritten, die die beiden Frauen ohnehin nicht beantworten konnten – dazu waren ja nicht einmal Synoden und Konzile imstande. Es ging dabei vor allem um Geld, mit dem Lanthild nach Meinung Chlotildes unbefugt und zu verschwenderisch umging.
Der Majordomus Bobo, mit dem sich die Gattin des Comes von Soissons in Dauerfehde befand, hatte erfreut in der Königin eine Verbündete entdeckt. Zu ihr lief er fast täglich und beschwerte sich. So hatte Lanthild im Handstreich seine Zolleinnehmer in der Stadt und ihrer
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