Die Merowinger - Zorn der Götter
feierlich ein und stimmten aus voller Kehle das Gotteslob an.
Das kläglich wimmernde Knäblein wurde dreimal ins Taufbecken eingetaucht und dann mit dem weißen Flügelgewand eines Engels bekleidet. Der Bischof salbte es mit dem heiligen Chrisma. Die Königin weinte ergriffen und glücklich.
Die Patin, eine ihrer adeligen Hofdamen, übergab ihr den Täufling, der sich beruhigt hatte und nun ganz still war. Die Königin nahm ihn und küsste ihn zärtlich. Dann brachte sie ihn mit einem seligen Lächeln auf den Lippen dem Vater.
Chlodwig hatte sich abseits gehalten. Die Arme verschränkt, an eine Säule gelehnt, hatte er die Zeremonie mit unbewegter Miene verfolgt. Er nahm den kleinen Ingomer, und weil der die Augen weit offen hatte, so als sei er erschrocken, lächelte er und kitzelte ihn. Das hatte Ingomer sonst Spaß gemacht, und er hatte sogar schon sein Mäulchen zu einem Lachen verzogen und fröhlich gequiekt. Jetzt blieb er stumm. Und als ihn der König sanft schüttelte, um ihn munter zu machen, fiel plötzlich sein Köpfchen nach hinten.
»Er ist tot!«, flüsterte Chlodwig. Nun schüttelte er ihn heftig und schrie: »Er ist tot! Tot! Tot! Tot! Tot!«
So endete die schöne Zeremonie mit einem schrecklichen Missklang. Vielleicht lag es am Zugwind. Vielleicht war das Wasser zu kalt. Vielleicht hatte man den Täufling aus Versehen ertränkt. Das konnte nicht mehr festgestellt werden. Jedenfalls starb er unmittelbar, nachdem er, wie es in der Sprache der Frommen heißt, »das Bad der Wiedergeburt empfangen« hatte.
Der König brüllte und wütete. Er stürmte von einem Ende der Kirche zum anderen, packte alles, was ihm in die Hände kam, Menschen und Gegenstände, und ließ seinen Zorn daran aus. Nach dem Bischof schleuderte er einen schweren, vielarmigen Kerzenleuchter und hätte ihm damit den Garaus gemacht, wäre Remigius nicht rechtzeitig hinter dem Altar in Deckung gegangen. Die kreischende Patin zerrte er an den Haaren. Den Diakon Chundo trieb er vor sich her, schlug ihn nieder und versetzte ihm Fußtritte. Teppiche riss er von der Wand. Mit Pokalen und Monstranzen warf er um sich. Das sieben Fuß hohe Kreuz stieß er um.
»Sie haben es doch gemerkt!«, schrie er, schüttelte beide Fäuste und schlug sich die Brust. »Warum habe ich nicht verhindert, dass sie ihn hierherschleppten, in ihren verdammten Lügentempel! Die Götter lassen sich nicht betrügen! Mein Sohn würde leben, wäre er in ihrem Namen geweiht!«
Mit diesen Worten verließ er die verwüstete Kirche. An den Türpfosten gedrückt, stand der zehnjährige Theuderich, erschrocken, verstört, weil er seinen Vater noch niemals so rasen sah. Chlodwig riss ihn in seine Arme, und plötzlich brach er in Tränen aus. Schwer stützte er sich auf den Jungen, weil seine Knie plötzlich schwach wurden. Theuderich musste alle Kraft aufbieten, um ihn hinauszuführen, denn niemand traute sich jetzt in die Nähe des Königs und half ihm.
Die Königin Chlotilde soll nach Auskunft unseres Gewährsmannes für diese Szene, des Bischofs Gregor von Tours, gegenüber dem wutentbrannten Gatten die Fassung bewahrt und den folgenden Ausspruch getan haben, den wir mit Vorbehalt zitieren:
»Gott, dem Allmächtigen, dem Schöpfer aller Dinge, sage ich Dank, dass er mich nicht für unwert erachtet, die Frucht meines Leibes in sein Reich aufzunehmen. Denn mein Gemüt ist unbekümmert von dem Schmerz, da ich weiß, dass die, die im weißen Taufgewand von dieser Welt gerufen sind, vor Gottes Angesicht leben werden.«
Glaubhafter wäre, dass Chlotilde wie jede Mutter angesichts ihres toten Kindes verzweifelt war und für das Unsägliche keine Worte fand.
Kapitel 7
Baddo erwies sich wie immer als zuverlässig und schickte eine zweite Kiste mit langhaarigen Merowingerköpfen. Sie war etwas kleiner als die erste, weil selbst Ursios abgefeimteste Spione zwischen Somme und Maas keine Merowinger mehr finden konnten.
Ein paar Monate später kam Baddo selbst nach Berny. Er brachte zwei Gefangene mit, die er für Chlodwig aufgespart hatte. Denn er vermutete, dass der König mit diesen beiden seine eigene Abrechnung machen wollte. Es waren Chararich von Tongeren und sein einziger Sohn, siebzehn Jahre alt.
Die Umstände ihrer Gefangennahme ähnelten denen ihrer Cambraier Verwandten. Es ging nur alles weniger schnell. Chararich ließ sich nicht auf ein offenes Gefecht mit Baddos anstürmenden Hundertschaften ein, schloss die Tore der Festung Tongeren und hielt eine Weile
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