Die Merowinger - Zorn der Götter
ausbrechen musste, entgegenkommend zeigte. Allerdings durfte ihm diesmal ein Versprechen himmlischer Neutralität nicht genügen. Es mussten schon erdfeste Zusagen sein.
Remigius wusste von katholischen Bischöfen zwischen Tours und Toulouse, dass sie eine heidnische Herrschaft ihrer arianischen unbedingt vorziehen würden. Wie es zu allen Zeiten üblich war, verabscheuten und verdammten die strengen Verfechter ihrer Lehre die Abweichler, während sie mit den Feinden der Lehre notfalls auskamen und paktierten. Die Sehnsucht vieler wichtiger Kirchenmänner im Reich der Westgoten brauchte man jetzt nur noch zur Kampfbereitschaft umzudeuten. Und die musste man dem König der Franken zur Kenntnis bringen.
Den Auftrag erhielt der Diakon Chundo. Damit gab man ihm auch die Möglichkeit, sich die Verzeihung der Königin und des Remigius zu verdienen. Er nutzte sie gut, reiste zwei Monate im Westgotenreich umher, entging mehrmals knapp der Verhaftung und brachte schließlich ein dickes Paket mit hochverräterischen Briefen, die alle dieselbe fromme Bitte enthielten: Der König der Franken möge ein Zeichen geben, dass er den Anhängern des wahren Glaubens wohlgesinnt sei. Dafür wollten sie sich dann auch revanchieren. Die mündliche Botschaft dazu lautete: Falls Chlodwig die Loire überschreiten sollte, wollten sie ihn als Befreier empfangen und dafür sorgen, dass ihm die Tore ihrer Städte geöffnet würden.
»Kann man es dir einfacher machen?«, fragte Remigius. »Du wirst Herr dieser Städte sein, ohne dass ein Tropfen Blut fließt.«
»Und was für ein Zeichen erwarten sie?«, fragte der König.
»Lass das Kind, das deine Gemahlin dir schenken wird, taufen. Im Namen des dreieinigen Gottes.«
In den Augen des Königs blitzte es auf. Remigius fürchtete schon, dass er im nächsten Augenblick gepackt und aus dem Fenster gestoßen würde. Doch es geschah ihm nichts. Der König wandte sich ab und versank in Gedanken. Vorsichtshalber zog sich der Bischof leise zurück.
Schon am nächsten Tag wurde er aufgefordert, die Briefe der westgotischen Bischöfe vorzulegen. Chlodwig versuchte sogar, sie selbst zu lesen.
Ein bisschen verstand er sich ja darauf, und er brachte es auch fertig, mit dem Griffel ein paar Buchstaben in eine Wachstafel zu ritzen. Doch war es lange her, dass er auf Anordnung seines ganz analphabetischen Vaters in diesen Fertigkeiten unterwiesen worden war.
Aus Misstrauen nahm er sich einen der Briefe vor. Angestrengt die Lippen bewegend, las er ihn Wort für Wort, konnte jedoch in der schwülstigen Epistel des Bischofs von Tours keinen Sinn entdecken. Remigius erbot sich höflich, ihm den Inhalt des Schreibens zu deuten. Aber der König rief seinen neuen Referendar, zu dem er mehr Vertrauen hatte (es war auch ein Sabauder, ein Vetter des Jullus), und der musste ihm alles noch einmal Satz für Satz vorlesen und seine Meinung dazu sagen.
Es ergab sich, dass Remigius die Wahrheit gesagt hatte. Der Brief enthielt einen Hilferuf. Der Bischof von Tours beklagte mit erstaunlichem Mut, dass die Kirche und das Grab des heiligen Martin von den Irrgläubigen und ihren westgotischen Protektoren vernachlässigt wurden, und versprach jedem, der sich für ihre Befreiung einsetzte, die Hilfe des vor Gottes Thron viel vermögenden Heiligen.
Freudig, hieß es, würden auch die gedemütigten und verfolgten Anhänger Martins einen solchen Befreier empfangen, welchen Glaubens er immer sei. Nur müssten sie vorher die Gewissheit erhalten, dass er sich ihnen und nicht den Häretikern verbunden fühle.
Auch die anderen Briefe wurden verlesen. Chundo, der mit zur Audienz befohlen war, musste bei seinem Gott beeiden, dass alle echt waren. Er tat dies, ohne mit der Wimper zu zucken, obwohl er einige selber geschrieben hatte.
Aus Kleinmut oder weil sie es nicht für nötig hielten (die Repressionen hatten zuletzt unter König Alarich nachgelassen), hatten sich mehrere der angesprochenen Bischöfe dem Ansinnen von Remigius’ Abgesandten verweigert. Um aber den Heidenkönig dazu zu bringen, etwas zum Ruhme Gottes zu tun, wollte Chundo gern den frommen Betrug auf sein Gewissen nehmen. Von Remigius, dessen schriftkundigem Auge die Fälschungen nicht entgangen waren, hatte er außerdem die Anweisung, dem höheren Zweck alles unterzuordnen. Im Übrigen waren die meisten Briefe ja wirklich echt.
Auf Befragen berichtete Chundo der Absprache gemäß, die westgotischen Bischöfe würden ein Taufritual der römisch-katholischen
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