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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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zur Frontseite des Hauses und die Stufen hinauf.
    Die schweren Türen waren fest verschlossen,
    kein Diener kam, mich zu begrüßen, als ich klopfte.
    In meinem Traum (denn Ihr dürft nicht vergessen, Mister Fox:
    Dies war mein Traum. Ihr seid so bleich) war ich von diesem Haus gebannt,
    die Art von Neugier (Ihr kennt Sie,
    Mister Fox, ich seh’s in Eurem Blick), die ist der Katze
    Tod.
    Ich fand die Tür, ein Türchen nur und unverschlossen,
    und trat ein.
    Folgte Fluren, eichengetäfelt, und in den Nischen
    Büsten, manches Kleinod,
    Ich ging, meine Schritte lautlos auf dem scharlachroten Teppich,
    bis ich in die große Halle kam.
    Da war es wieder, in rotem Glitzerstein
    eingelegt im weißen Marmorboden,
    stand dort:
    Nur Mut,
    nur Mut,
    doch des Mutes nicht zu viel.
    Oder gefrieren muss zu Eis
    deines Lebens Blut.
    Ich fand eine Treppe, breit, von rotem Teppich bedeckt,
    die von der Halle aufwärts führte,
    und ich stieg hinauf, leise, leise.
    Eichentüren: und nun
    war ich in einem Speisezimmer oder das glaube ich zumindest,
    denn die Reste eines schauerlichen Mahles
    lagen dort, erkaltet und umschwirrt von Fliegen.
    Hier eine abgenagte Hand, dort, nur angeknabbert,
    ein Gesicht, das einer Frau, die im Leben, fürcht ich,
    ausgesehen haben muss wie ich.«
    »Der Himmel bewahre uns alle vor solch dunklen Träumen«, rief ihr Vater.
    »Kann es dergleichen Dinge geben?«
    »Es ist nicht wahr«, versichere ich ihm. Das Lächeln
    der blonden Frau blitzt hinter ihren grauen Augen.
    Die Menschen brauchen Zusicherungen.
    »Hinter dem Speisezimmer war ein Raum,
    ein großer Saal, der dieses Gasthaus fassen würde,
    vollgestopft mit einem Gewirr aus Ringen und Ketten,
    Kolliers, Perlen, Ballkleidern und Pelzen,
    Spitzenröcken, Samt und Seide. Damenstiefel,
    Muffe, Hüte – Schatzkammer und Boudoir –
    Diamanten und Rubine unter meinem Fuß.
    Jenseits des Raums fand ich mich in der Hölle.
    In meinem Traum …
    sah ich viele Köpfe. Die Köpfe junger Frauen. An einer Wand
    waren abgetrennte Gliedmaßen angenagelt.
    Ein Berg von Brüsten. Wirres Gedärm, Lebern, Lungen,
    die Augen, die …
    Nein. Ich kann’s nicht sagen. Und über allem summten Fliegen,
    Beelzebubzebubzebub summten sie. Ich konnt nicht atmen,
    rannte hinaus und lehnte weinend an der Wand.«
    »Ein Fuchsbau in der Tat«, sagt die blonde Frau.
    (»Es ist nicht wahr«, sag ich.)
    »Unreine Kreatur, sein eigenes Heim
    so zu verschmutzen, mit Knochen, Haut und Federn
    seiner Beute. In Frankreich heißt er Renard ,
    in Schottland Tod .«
    »Niemand kann etwas für seinen Namen«, sagt der Vater meiner Liebsten.
    Fast keucht er jetzt, sie alle keuchen:
    im Feuerschein, der Gluthitze, schlürfen sie Bier.
    Die Wand des Gasthauses zieren Jagdmotive.
    Sie fährt fort:
    »Von draußen hört ich Lärm und lautes Poltern.
    Ich lief den Weg zurück, den ich gekommen war, über den roten Teppich,
    die breite Treppe hinab – zu spät! – die Haustür schwang auf!
    Ich warf mich die Stufen hinab – rollte, stürzte –
    kam unter dem Tische schließlich zum Halt,
    wo ich wartete, zitternd und betend.«
    Sie zeigt auf mich. »Ja, Ihr, Sir. Ihr tratet ein,
    stießet die Tür auf, kamt taumelnd herein, Ihr, Sir,
    hieltet eine junge Frau
    an ihrem roten Haar und der Kehle gepackt.
    Ihr Haar war lang und ungebunden, sie kreischte und rang,
    um sich loszureißen. Ihr lachtet, tief in der Kehle.
    Schweiß auf Eurer Stirn. Und ein Grinsen von Ohr zu Ohr.«
    Sie starrt mich an und ihre Wangen brennen.
    »Ihr zogt ein kurzes altes Schwert, Mister Fox,
    und während sie kreischt’,
    durchschnittet Ihr die Kehle, wieder von Ohr zu Ohr.
    Ich lauschte ihrem Gurgeln, dem ertränkten Schrei
    und schloss die Augen, betete, bis sie verstummte.
    Ich sah Euch an. Ihr lächeltet, hobt Euer Schwert,
    die Hände rot von Blut …«
    »In Eurem Traum«, betone ich.
    »In meinem Traum.
    Sie lag dort auf dem Marmor, während Ihr zustacht,
    hacktet, sie tranchiert, zerreißt und keucht.
    Ihr schlugt den Kopf von ihren Schultern,
    stießt Eure Zunge zwischen die feuchten Lippen.
    Dann ihre Hände. Die schneeweißen Hände.
    Dann riss ihr Mieder und Ihr schnittet die Brüste ab.
    Dann fingt Ihr an zu heulen
    auf einmal,
    packtet den Kopf, ergrifft ihn an den Haaren,
    den leuchtend roten Haaren,
    und stürztet die Treppe hinauf.
    Kaum wart Ihr außer Sicht
    floh ich durch die off’ne Tür,
    ritt meine Betsy heim, den weißen Weg entlang.«
    Alle Augen ruh’n auf mir. Ich stell mein

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