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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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ein, zwei Witze,
    ziemlich schlecht. Seine unbeholfene Tollpatschigkeit –
    sie zu sehen waren wir hergekommen.
    Konfus, glatzköpfig und kurzsichtig,
    erinnerte er mich ein wenig an Großvater.
    Dann ging der Komiker ab.
    Ein paar Damen tanzten und zeigten die Beine.
    Ein Sänger sang ein Lied, das ich nicht kannte.
    Alte Leute bildeten das Publikum,
    wie meine Großeltern, ruhebedürftig und im Ruhestand,
    und sie alle lachten und applaudierten.
    In der Pause stellte Großvater
    sich für ein Schokoeis und zwei Eisbecher an.
    Wir löffelten, während das Licht wieder verlosch.
    Der B randschutzvorhang hob sich, dann der richtige.
    Die Damen tanzten noch einmal,
    dann grollte Donner, Rauch stieg in Wolken auf,
    ein Zauberer erschien und wir klatschten.
    Eine Dame kam lächelnd aus der Seitenkulisse:
    glitzernd. Schimmernd. Lächelte.
    Wir sahen zu ihr und in dem Moment wuchsen Blumen
    und Seidenwimpel flatterten von seinen Fingerspitzen.
    Die Flaggen aller Länder , sagte Großvater und stupste mich.
    Sie waren im Ärmel.
    Seit er jung gewesen war
    (ich konnt ihn mir nicht als Kind vorstellen),
    war mein Großvater laut eigener Angaben
    immer einer von denen, die wussten, wie Dinge funktionierten.
    Er hatte sein eigenes Fernsehen gebaut,
    hatte Großmutter erzählt, gleich nach ihrer Hochzeit;
    es war riesengroß, auch wenn der Bildschirm ganz klein war.
    Das war in den Tagen vor den Fernsehsendungen;
    doch sie schauten trotzdem hinein,
    nicht sicher, ob es Leute oder Geister waren, die sie sahen.
    Er hatte auch ein Patent für irgendeine Erfindung,
    doch es wurde nie etwas draus;
    kandidierte für den Stadtrat, aber er wurde nur Dritter.
    Rasierer oder Radio, alles konnte er reparieren,
    Filme entwickeln oder ein Puppenhaus bauen.
    (Das Puppenhaus gehörte meiner Mutter. Es stand noch zu Hause,
    schäbig und alt stand es auf dem Rasen, nassgeregnet und vergessen.)
    Die Glitzerdame fuhr eine Kiste herein.
    Die Kiste war groß: wie ein Erwachsener so hoch und schwarz.
    Sie öffnete die Front.
    Sie drehten sie um und klopften auf die Wände.
    Die Dame stieg hinein, immer noch lächelnd.
    Der Zauberer schloss die Tür.
    Als sie wieder aufging, war die Frau fort.
    Er verneigte sich.
    Spiegel , erklärte Großvater. In Wirklichkeit ist sie noch drin.
    Auf eine Geste hin fiel die Kiste in sich zusammen.
    Falltür , versicherte Großvater;
    Großmama zischte: Sei still!
    Der Zauberer lächelte, die Zähne klein und eng.
    Er schritt langsam hinaus ins Publikum,
    wies auf meine Großmutter, verneigte sich,
    ein formvollendeter Diener,
    und bat sie, ihm auf die Bühne zu folgen.
    Das Publikum klatschte, jubelte.
    Großmutter zierte sich. So nah war ich
    dem Zauberer, dass ich sein Aftershave roch,
    und wisperte: »Ich, o bitte ich …« Doch
    er streckte die langen Finger nach Großmutter aus.
    Geh nur, Perle , sagte Großvater. Geh mit dem Mann.
    Meine Großmutter war damals … sechzig vielleicht.
    Hatte gerade zu rauchen aufgehört
    und wollte ein paar Pfund verlieren. Stolz war sie
    vor allem auf ihre Zähne, die, wenn auch fleckig, doch noch ihre eigenen waren.
    Großvater hatte seine schon als Junge verloren,
    beim Rad fahren. Ihm kam der Gedanke,
    sich an einen Bus anzuhängen, um schneller voran zu kommen.
    Der Bus machte eine Kurve, Großvater küsste den Asphalt.
    Abends beim Fernsehen aß sie harte Lakritze
    oder Karamellbonbons, vielleicht damit er es bereute.
    Sie stand also auf, etwas zögerlich.
    Stellte den halbleeren Eisbecher ab
    mit dem kleinen Holzlöffel –
    schritt den Mittelgang entlang, die Stufen hinauf,
    betrat dann die Bühne.
    Der Magier applaudierte ihr wieder:
    Ein williges Opfer. Und genau das war sie. Ein Opfer.
    Noch eine Glitzerfrau kam auf die Bühne,
    brachte noch eine Kiste …
    Diese war rot.
    Das ist sie. Großvater nickte. Die,
    die eben verschwunden ist. Siehst du? Das ist sie.
    Möglich. Alles, was ich erkannte,
    war eine Frau, die funkelte, gleich neben Großmutter
    (die an ihrer Kette spielte und verlegen wirkte).
    Die Glitzerfrau wandte sich lächelnd an uns und gefror,
    wurde zur Statue. Schaufensterpuppe.
    Der Zauberer brachte die Kiste
    mühelos
    vorn an den Bühnenrand, wo Großmutter wartete.
    Ein, zwei Sätze Smalltalk:
    wo kam sie her, ihr Name, solche Sachen.
    War sie ihm je zuvor begegnet? Sie schüttelt den Kopf.
    Der Magier öffnet die Tür,
    meine Großmutter tritt ein.
    Vielleicht ist es nicht die gleiche , räumt Großvater ein,
    versonnen,
    Ich glaub, sie

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