Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
Vom Netzwerk:
hatte dunklere Haare, die andere.
    Ich wusste es nicht.
    Ich war stolz auf Großmutter und ebenso verlegen,
    hoffte, sie werde nichts Peinliches tun,
    vor allem keins ihrer Lieder singen.
    Sie ging in die Kiste. Sie schlossen die Tür.
    Er öffnete eine Klappe am oberen Ende, eine kleine Tür. Wir sahen
    Großmutters Gesicht. Perle? Alles in Ordnung, Perle?
    Großmutter lächelte und nickte.
    Der Magier schloss die Tür.
    Die Dame gab ihm einen langen Kasten,
    den er öffnete. Entnahm ihr ein Schwert
    und rammte es durch die Kiste.
    Und noch eines und noch eines
    und mein Großvater lachte und erklärte:
    Die Klinge gleitet ins Heft zurück und eine zweite
    kommt an der anderen Seite heraus.
    Dann ergriff er eine Metallscheibe, die
    er auf halber Höhe in die Kiste einschob.
    Sie trennte sie mitten durch. Die beiden,
    die Frau und der Mann, hoben die obere
    Hälfte der Kiste ab und stellte sie auf die Bühne,
    mit meiner halben Großmama drin.
    Die Oberhälfte.
    Er öffnete die kleine Klappe und einen Augenblick
    strahlte Großmutters Gesicht uns an, vertrauensvoll.
    Als er die Klappe eben schloss,
    ist sie durch eine Falltür gestiegen
    und jetzt steht sie in einer Vertiefung,
    vertraute Großvater mir an.
    Wenn es vorbei ist, erklärt sie uns alles.
    Ich wünschte, er würde nicht reden; ich brauchte den Zauber.
    Zwei Messer durch die halbierte Kiste
    etwa in Halshöhe.
    Bist du noch da, Perle? fragte der Magier. Lass etwas hören,
    kennst du keine Lieder?
    Großmutter sang Gänseblümchen .
    Er hob einen Teil der Kiste hoch,
    den mit dem Kläppchen – das Kopfteil –
    und ging damit umher und sie sang
    Gänseblümchen , erst an der einen Bühnenseite,
    dann an der anderen.
    Das macht er , sagte Großvater. Er verstellt seine Stimme.
    Klingt wie Großmama , sagte ich.
    Natürlich tut es das , sagte er, natürlich.
    Er ist gut , sagt er. Er ist wirklich gut.
    Der Magier öffnete die Kiste erneut,
    jetzt hutschachtelgroß. Großmutter war fertig mit Gänseblümchen.
    Jetzt sang sie ein Lied, das ging:
    Nach London woll’n wir fahren, wo wir zu Hause waren
    zurück, zurück, zurück, wir fahren heut zurück
    zurück nach London Town.
    Sie war in London geboren. Erzählte mir seltsame Geschichten.
    Dann und wann und dann
    aus ihrer Kindheit. Von den Kindern, die in ihres Vaters Laden stürmten
    und Shonky shonky sheeny riefen und wieder fortliefen.
    Nie ließ sie mich schwarze Hemden tragen, weil,
    so sagte sie, die sie an die Märsche durchs East End erinnerten.
    Mosleys Schwarzhemden. Ihre Schwester hatte ein blaues Auge bekommen.
    Der Zauberer nahm ein Küchenmesser,
    schob es langsam in die rote Hutschachtel.
    Und dann verstummte der Gesang.
    Er stapelte die Kisten wieder auf,
    zog die Messer und Schwerter heraus, Stück um Stück.
    Er öffnete die Klappe im oberen Teil: Großmutter lächelte,
    verlegen, zeigte ihre alten Zähne.
    Er schloss das Türchen, versperrte uns die Sicht.
    Zog das letzte Messer heraus.
    Öffnete die ganze Frontseite
    und sie war fort.
    Eine Geste und auch die rote Kiste war fort.
    Sie ist in seinem Ärmel , erklärte Großvater, doch er schien unsicher.
    Der Magier ließ zwei Tauben von einem brennenden Teller aufsteigen.
    Eine Rauchwolke – und er war selbst verschwunden.
    Sie wird unter der Bühne sein oder dahinter ,
    sagte Großvater,
    mit einer schönen Tasse Tee. Sicher kommt sie mit Blumen zurück
    oder mit Schokolade. Ich hoffte, Letzteres.
    Wieder die tanzenden Damen.
    Dann der Komiker, ein Letztes Mal.
    Und zum Schluss kamen sie alle zusammen auf die Bühne.
    Das Grande Finale , sagte Großvater. Sieh genau hin,
    vielleicht siehst du sie irgendwo.
    Aber nein. Sie sangen:
    Wenn du alleine dahinreitest
    auf dem Kamm der Wellen
    und die Sonne am Himmel scheint.
    Der Vorhang fiel und wir gingen hinaus ins Foyer.
    Dort warteten wir eine Weile.
    Dann gingen wir zum Bühneneingang,
    um meine Großmutter dort abzupassen.
    Der Zauberer kam in normaler Kleidung heraus,
    die Glitzerfrau sah so anders aus im Regenmantel.
    Mein Großvater ging hin und sprach mit ihm. Er winkte ab,
    sagte, er verstehe kein Englisch und zauberte
    eine halbe Krone hinter meinem Ohr hervor,
    ehe er in Dunkelheit und Regen entschwand.
    Ich sah meine Großmutter nie wieder.
    Wir kehrten in ihr Haus zurück und machten weiter.
    Großvater musste jetzt für uns kochen.
    Und so aßen wir morgens, mittags, abends
    goldenen Toast mit Silbermarmelade
    und tranken Tee dazu.
    Bis ich nach Hause fuhr.
    Er war so sehr

Weitere Kostenlose Bücher