Die Messerknigin
Goldblum und drückt es besser aus, als es Rajit je gelungen wäre, »es ist wie bei einem Computer: Statt die Fehler, die ein defektes Programm verursacht, einen nach dem anderen zu beheben, Symptom für Symptom, kann man das Programm doch einfach neu installieren. Alle notwendigen Informationen sind doch gespeichert. Wir müssen unserem Körper nur befehlen, die RNA und DNA neu zu speichern, das Programm noch mal einzulesen, wenn du so willst. Und dann neu hochfahren.«
Die blonde Schauspielerin lächelt und verschließt ihm die Lippen mit einem Kuss, belustigt, beeindruckt und leidenschaftlich.
IV.
Die Frau hat Metastasen in der Milz, den Lymphknoten und im Unterleib: Lymphomata, die nichts mit Hodgkin zu tun haben. Außerdem leidet sie an einer Lungenentzündung. Sie hat zugestimmt, sich als Versuchsperson für Rajits experimentelle Behandlung zur Verfügung zu stellen. Sie weiß, dass es in Amerika illegal ist zu behaupten, man sei in der Lage, Krebs zu heilen. Bis vor kurzem war sie fett. Doch das Gewicht ist von ihr abgefallen und sie erinnert Rajit an einen Schneemann in der Sonne: jeden Tag schmilzt sie ein bisschen mehr, jeden Tag, so meint er, wirkt sie zerlaufener, verschwommener.
»Es ist kein Medikament im herkömmlichen Sinne«, erklärt er ihr. »Es ist eine Reihe chemischer Instruktionen.« Verständnislos erwidert sie seinen Blick. Er injiziert zwei Ampullen einer klaren Flüssigkeit intravenös.
Bald darauf schläft sie ein.
Als sie aufwacht, ist der Krebs verschwunden. Wenig später bringt die Lungenentzündung sie um.
Die zwei Tage vor ihrem Tod hat Rajit sich gefragt, wie er erklären soll, was die Autopsie zweifelsfrei beweisen wird: dass nämlich die Patientin plötzlich einen Penis hat und in jeder Hinsicht, sowohl was Körperfunktionen als auch was die Chromosomen betrifft, männlichen Geschlechts ist.
V.
Zwanzig Jahre später in einem winzigen Apartment in New Orleans (obwohl es ebenso gut Moskau oder Manchester, Paris oder Berlin sein könnte). Heute ist der große Abend und Joseph/ine will sie alle aus den Stiefeln hauen.
Entweder eine »Polonaise«, eine französische Hofrobe des achtzehnten Jahrhunderts (mit Krinoline, Fiberglasturnüre und drahtverstärktem Dekolletee unter einem spitzenbesetzten tiefroten Mieder) oder eine Nachbildung von Sir Phillip Sydneys Hofstaat aus schwarzem Samt und Silberfaden, komplett mit Halskrause und Hosenbeutel. Nach gründlichem Abwägen von Für und Wider gibt Joseph/ine Titten den Vorzug vor Schwanz. Noch zwölf Stunden. Joseph/ine öffnet das Fläschchen mit den roten Pillen (jedes der kleinen roten Dinger ist mit einem X gekennzeichnet) und wirft zwei davon ein. Es ist zehn Uhr und Joseph/ine legt sich ins Bett, fängt an zu masturbieren, Penis halb steif, doch sie schläft vor dem Orgasmus ein.
Das Zimmer ist sehr klein. Kleidungsstücke bedecken jede Ablagefläche. Ein leerer Pizzakarton steht auf dem Fußboden. Joseph/ine schnarcht laut, ganz normal, doch beim »Freebooting« gibt Joseph/ine keinen Laut von sich, könnte ebenso gut im Koma liegen.
Joseph/ine wacht um zweiundzwanzig Uhr auf und fühlt sich zart und frisch. Damals als Joseph/ine noch neu war in der Partyszene, zog ein jeder Wandel eine akribische Untersuchung der eigenen Person nach sich, Abtasten von Leberflecken und Brustwarzen, Vorhaut oder Klitoris, Bestandsaufnahme verschwundener oder verbliebener Narben. Doch inzwischen ist Joseph/ine routiniert, legt Turnüre und Unterrock an, das Mieder und die Robe. Die neuen Brüste (hoch und konisch) werden prall zusammengedrückt, der Unterrock schleift am Boden, was bedeutet, dass Joseph/ine die vierzig Jahre alten Doctor-Martens-Stiefel darunter tragen kann (man weiß ja nie, wann man rennen oder gehen oder treten muss und Seidenschühchen nutzen niemandem).
Die hohe, gepuderte Perücke vervollkommnet das Bild. Und ein Tropfen Cologne. Dann nesteln Joseph/ines Hände am Rock, ein Finger schiebt sich zwischen die Beine (Joseph/ine trägt keinen Schlüpfer, angeblich aus dem Bedürfnis nach Authentizität heraus, das die Doc Martens jedoch Lügen strafen) und tupft sich hinter die Ohren. Vielleicht soll es Glück bringen. Oder Kerle anlocken. Um dreiundzwanzig Uhr fünfzehn klingelt das Taxi und Joseph/ ine geht hinunter. Joseph/ine geht auf den Ball.
Morgen Abend wird Joseph/ine eine weitere Dosis einnehmen, denn Joseph/ines professionelle Identität während der Woche ist strikt männlich.
VI.
Rajit betrachtete die
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