Die Messerknigin
gealtert an diesem Abend,
als seien die Jahre alle gleichzeitig über ihn hereingebrochen.
Gänseblümchen, gib mir doch Antwort , sang er.
Wärst du die einzige Frau auf der Welt und ich der einzige Mann …
Folge dem Kater, sagte mein Vater …
Großvater hatte die gute Stimme in der Familie,
er hätte sogar Kantor werden können,
doch es gab immer Filme zu entwickeln,
Radios und Rasierer zu reparieren …
seine Brüder traten als Duo auf: Die Nachtigallen,
waren früher gar mal im Fernsehen aufgetreten.
Er trug es mit Fassung. Doch eines Nachts
wachte ich auf und entsann mich der Lakritzstangen im Vorratsraum.
Ich ging nach unten.
Mein Großvater stand da auf nackten Füßen.
Und ganz allein dort in der Küche
sah ich ihn ein Messer in eine Kiste rammen.
Du hast meine Liebe gestohlen.
Ich wollt sie nicht geben.
Wandel
I.
Später verwies man auf den Tod seiner Schwester, den Krebs, der ihr zwölfjähriges Leben aufgefressen hatte, Tumore groß wie Enteneier in ihrem Gehirn und er, ein Junge von sieben Jahren, rotznasig und kurz geschoren, hatte mit seinen großen braunen Augen zusehen müssen, wie sie starb in diesem weißen Krankenhaus. Und sie sagten: »So hat alles angefangen« und vielleicht hatten sie Recht.
In Reboot (Regie: Robert Zemeckis, 2018), einer Filmbiografie, führt ein Zeitsprung zurück zu seiner Schulzeit. Der Junge sieht seinen Biologielehrer an AIDS sterben. Diesem tragischen Ereignis geht eine Diskussion über das Sezieren eines großen, weißbäuchigen Frosches voraus.
»Warum sollen wir ihn zerstückeln?«, fragt der junge Rajit, während die Musik anschwillt. »Warum ihm nicht stattdessen Leben schenken?« Sein Lehrer, gespielt vom verstorbenen James Earl Jones, scheint erst beschämt, dann inspiriert und er hebt die Hand von der Decke seines Krankenhausbettes und legt sie dem Jungen auf die knochige Schulter. »Nun, wenn irgendwer das kann, dann du, Rajit«, sagt er mit seiner tiefen Bassstimme.
Der Junge nickt und starrt uns mit einer Entschlossenheit an, die an Fanatismus grenzt.
Das ist in Wirklichkeit nie passiert.
II.
Ein grauer Novembertag, Rajit ist jetzt ein hoch gewachsener Mann Ende vierzig mit einer dunkel umrandeten Brille, die er momentan jedoch nicht trägt. Das Fehlen der Brille unterstreicht seine Nacktheit. Er sitzt in der Badewanne, während das Wasser langsam kalt wird, und probt den Schluss seiner Rede. Für gewöhnlich ist seine Haltung immer ein bisschen gebeugt, doch jetzt hält er sich gerade und er wägt seine Worte ab, ehe er spricht. Reden vor Publikum gehören nicht zu seinen Stärken.
Das Apartment in Brooklyn, das er mit einem weiteren wissenschaftlichen Assistenten und einem Bibliothekar teilt, ist heute verlassen. Sein Penis dümpelt zusammengeschrumpft, nussartig im lauwarmen Wasser. »Und dies bedeutet«, sagt er laut und langsam, »dass der Krieg gegen den Krebs gewonnen ist.«
Er unterbricht sich und lauscht der Frage eines imaginären Reporters am anderen Ende des Badezimmers.
»Nebenwirkungen?«, wiederholt er mit hallender Badezimmerstimme. »Ja, es gibt ein paar Nebenwirkungen. Doch soweit wir feststellen konnten nichts, das bleibende Schäden verursacht.«
Er steigt aus der angeschlagenen Porzellanwanne, geht nackt zur Toilette hinüber und erbricht sich fürchterlich. Das Lampenfieber bohrt sich wie ein Tranchiermesser in seinen Magen. Als er nichts mehr von sich zu geben hat und das trockene Würgen nachlässt, spült Rajit sich den Mund mit Listerine aus, zieht sich an und nimmt die UBahn nach Central Manhattan.
III.
Es ist, wie das Time Magazine später schreiben sollte, eine Entdeckung, ›die das Wesen der Medizin ebenso grundlegend und entscheidend verändert wie die Entdeckung des Penizillins‹.
»Einmal angenommen«, sagt Jeff Goldblum, der den erwachsenen Rajit in der Filmbiografie spielt, »nur mal angenommen, es wäre möglich, den genetischen Code des Körpers zu resetten? So viele Krankheiten rühren daher, dass der Körper vergessen hat, was er eigentlich tun müsste. Der Code ist verstümmelt worden. Das Programm läuft nicht mehr richtig. Was wäre … was wäre, wenn man es reparieren könnte?«
»Du bist doch verrückt«, sagt seine hübsche blonde Freundin im Film. In Wirklichkeit hat er keine Freunde. In Wirklichkeit besteht Rajits Sexualleben aus gelegentlichen geschäftlichen Transaktionen zwischen Rajit und den jungen Männern des AAA-Ajax-Eskortedienstes.
»Pass auf«, sagt Jeff
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