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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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gebraucht.«
    Es folgte wieder in kurzes Schweigen.
    »Ich bin Student«, eröffnete Ben ihnen. »Ich werde Metallurge.« Irgendwie war es ihm gelungen, sein ganzes Pint Shoggoth’s Old Peculiar auszutrinken. Das erste alkoholische Getränk seines Lebens, erkannte er, auf angenehme Weise schockiert. »Und was macht ihr so?«
    »Wir sind Diener«, sagte Wilf.
    »Des Großen Cthulhu«, fügte Seth stolz hinzu.
    »Ach ja? Und was genau tut ihr?«, wollte Ben wissen.
    »Meine Runde«, verkündete Wilf. »Warte einen Moment.« Er ging an die Bar und kam mit drei gefüllten Gläsern zurück. »Nun ja, wir tun nicht gerade besonders viel«, erklärte er dann. »Unser Dienst ist nicht gerade eine Schinderei. Was natürlich daran liegt, dass er schläft. Oder genauer gesagt, er schläft nicht direkt. Wenn du’s ganz genau wissen willst: Er ist tot .«
    »›In seinem Heim im versunkenen R’lyeh liegt Cthulhu tot und träumt‹«, warf Seth ein. »Oder, wie der Dichter sagt: ›Tot ist nicht, was ewig liegen kann …‹«
    »›Doch in seltsamen Äonen …‹«, fügte Wilf hinzu.
    »Und mit seltsam meint er wirklich verdammt komisch  …«
    »Genau. Wir reden hier absolut nicht von irgendwelchen gewöhnlichen Äonen.«
    »›Doch in seltsamen Äonen mag selbst der Tod sterben.‹«
    Ein wenig überrascht stellte Ben fest, dass er offenbar noch ein vollmundiges Shoggoth’s Old Peculiar trank. Irgendwie war der ranzige Ziegengeschmack beim zweiten Glas nicht mehr so schlimm. Und er war selig festzustellen, dass er keinen Hunger mehr hatte, seine blasenübersäten Füße nicht mehr schmerzten und seine Tischnachbarn faszinierende, intelligente Gesprächspartner waren, deren Namen er nicht so richtig auseinander halten konnte. Er hatte nicht genug Erfahrung mit Alkohol, um zu erkennen, dass dies eins der Symptome beim zweiten Glas Shoggoth’s Old Peculiar war.
    »Und im Moment ist das Geschäft eher ruhig«, erklärte Seth oder möglicherweise Wilf. »Es besteht hauptsächlich aus warten.«
    »Und beten«, fügte Wilf hinzu, wenn es nicht Seth war.
    »Und beten. Aber ziemlich bald wird sich das alles ändern.«
    »Ah ja?«, fragte Ben. »Wieso?«
    »Na ja.« Der Größere lehnte sich vertraulich zu ihm herüber. »Es kann jetzt jeden Tag geschehen, dass der Große Cthulhu (vorübergehend verstorben), der unser Boss ist, in seiner Behausung unter dem Meer aufwacht.«
    »Und dann«, fuhr der Kleinere fort, »wird er gähnen und sich rekeln und anziehen …«
    »Vermutlich auch zur Toilette gehen, würde mich nicht wundern.«
    »Und vielleicht die Zeitung lesen.«
    »Und wenn er all das erledigt hat, wird er aus den Tiefen des Ozeans aufsteigen, um die Welt zu verschlingen.«
    Ben fand das unbeschreiblich komisch. »Wie ein Ploughman’s«, sagte er.
    »Ganz recht, ganz recht. Wohl gesprochen, mein junger amerikanischer Freund. Der Große Cthulhu wird die Welt vertilgen wie ein Ploughman’s Lunch und nichts auf seinem Teller übrig lassen als ein Häuflein Branston Pickle.«
    »Das ist das braune Zeug?«, fragte Ben. Sie versicherten ihm, dass es das sei, und er ging an die Bar und holte noch eine Runde Shoggoth’s Old Peculiar.
    Er konnte sich später kaum an die Unterhaltung erinnern, die noch folgte. Er entsann sich, dass er sein Glas geleert hatte, und dann hatten seine neuen Freunde ihn zu einem Rundgang durchs Dorf eingeladen und ihm die verschiedenen Sehenswürdigkeiten gezeigt. »Da leihen wir unsere Videos aus und das große Gebäude da drüben ist der Namenlose Tempel Unaussprechlicher Götter und samstagmorgens ist in der Krypta immer ein Trödelmarkt …«
    Er erklärte ihnen seine Theorie über seinen Reiseführer und versicherte ihnen überschwänglich, dass Innsmouth sowohl charmant als auch malerisch sei. Er sagte ihnen, sie seien die besten Freunde, die er je gehabt habe, und dass Innsmouth einfach reizend sei.
    Der Mond war voll und in seinem bleichen Licht hatten seine neuen Freunde eine frappierende Ähnlichkeit mit riesigen Fröschen. Oder vielleicht auch mit Kamelen.
    Die drei spazierten bis zum Ende des verrosteten Piers und Seth und/oder Wilf zeigte Ben die Ruinen des versunkenen R’lyeh draußen in der Bucht, das unter der Wasseroberfläche im Mondlicht schimmerte, und dort überkam Ben ein, wie er zu erklären versuchte, plötzlicher und unvorhersehbarer Anfall von Seekrankheit und er übergab sich heftig und scheinbar endlos über die Metallbrüstung in die schwarze See …
    Danach wurde

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