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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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sein kann. Dieser Kerl … Wie, sagten Sie, war doch gleich Ihr Name?«
    »Ben. Ben Lassiter. Und Sie sind …?«
    Der kleine Mann lächelte. Er sah furchtbar froschartig aus, dachte Ben. »Ich bin Seth«, stellte er vor. »Und mein Freund hier heißt Wilf.«
    »Angenehm«, sagte Wilf.
    »Freut mich«, erwiderte Ben.
    »Wenn ich ehrlich bin, muss ich Ihnen zustimmen«, meinte der Kleine.
    »Ah ja?«, fragte Ben verdutzt.
    Der kleine Mann nickte. »Ja. H.P. Lovecraft. Ich weiß nicht, warum so ein Gewese um ihn gemacht wird. Der konnte doch noch nicht mal schreiben.« Er schlürfte sein Bier und leckte sich mit einer langen, beweglichen Zunge den Schaum von den Lippen. »Ich meine, seht euch doch nur mal an, was für Wörter der benutzt hat. Abstrus. Wissen Sie, was abstrus bedeutet?«
    Ben schüttelte den Kopf. Wie es schien, saß er mit zwei Fremden in einem englischen Pub, diskutierte über Literatur und trank Bier dabei. Einen Augenblick fragte er sich, ob er sich vielleicht, als er gerade mal nicht hingeschaut hatte, in jemand anders verwandelt hatte. Je weiter der Pegel in seinem Glas absank, umso erträglicher wurde der Geschmack des Biers und langsam vertrieb es den hartnäckigen Nachgeschmack der Kirschlimonade.
    »Abstrus. Heißt seltsam. Eigenartig. Komisch. Das bedeutet es. Ich hab’s nachgeschlagen. Im Lexikon. Und sphärenförmig ?«
    Ben schüttelte wieder den Kopf.
    »Der sphärenförmige Mond. Bedeutet rund. Der Mond war voll. Und wie heißt das Wort noch mal, wie er uns immer genannt hat? Dingsda. Sag schon. Fängt mit b an. Liegt mir auf der Zunge …«
    »Bastarde?«, schlug Wilf vor.
    »Quatsch. Dings. Du weißt doch. Batrachisch. Das war’s. Soll froschartig heißen.«
    »Moment mal«, unterbrach Wilf. »Ich dachte, das hat was mit irgendwelchen Kamelen zu tun.«
    Seth schüttelte entschieden den Kopf. »Frösche, hundert pro. Keine Kamele. Frösche.«
    Wilf schlürfte sein Shoggoth’s. Ben nippte vorsichtig an seinem, ohne große Lust.
    »Und was weiter?«, fragte Ben.
    »Sie haben zwei Höcker«, warf Wilf, der größere, ein.
    »Frösche?«, fragte Ben.
    »Nein, nein. Das Batrachiarkamel. Wohingegen das durchschnittliche Dromedar nur einen Höcker hat. Für die lange Reise durch die Wüste. Das ist es, was sie essen.«
    »Frösche?«, fragte Ben.
    »Kamelhöcker.« Wilf fixierte Ben mit seinen hervorquellenden, gelblichen Augen. »Jetzt hör mir mal zu, mein Junge: Wenn du mal drei oder vier Wochen in einer unwegsamen Wüste gewesen bist, wird ein Teller Kamelhöcker dir auch ziemlich appetitlich vorkommen.«
    Seth schnaubte verächtlich. »Du hast doch noch nie Kamelhöcker gegessen.«
    »Hätt ich aber«, entgegnete Wilf.
    »Ja, aber hast du nicht. Du bist doch noch nie in der Wüste gewesen.«
    »Na ja, aber sagen wir mal, ich wär auf Pilgerfahrt zum Grab von Nyarlathotep …«
    »Der schwarze König der Altvordern, der des Nachts aus dem Osten kommt und den du nicht erkennen wirst, meinst du?«
    »Natürlich mein ich den.«
    »Ich frag ja nur.«
    »Blöde Frage, wenn du mich fragst.«
    »Du hättest doch jemand anders mit demselben Namen meinen können.«
    »Hör mal, das ist nicht gerade ein gebräuchlicher Name, oder? Nyarlathotep. Davon wird’s wohl kaum zwei geben, oder? ›Mein Name ist Nyarlathotep, was für ein Zufall, dich hier zu treffen, ist ja komisch, dass es zwei von uns gibt.‹ Wohl kaum. Wie auch immer, ich irre also durch die endlose Wüste und denk mir: Ich würd alles geben für ein schönes Stück Kamelhöcker …«
    »Aber hast du nicht, stimmt’s? Du bist doch noch nie im Leben aus Innsmouth rausgekommen.«
    »Ähm … nein.«
    »Da hast du’s.« Seth sah Ben triumphierend an. Dann beugte er sich vor und flüsterte Ben ins Ohr: »So ist er eben, wenn er ein paar Bierchen intus hat.«
    »Das hab ich gehört«, sagte Wilf.
    »Schön«, antwortete Seth. »Wie auch immer. H.P. Lovecraft. Schrieb einen seiner behämmerten Sätze. Etwa: ›Der sphärenförmige Mond hing tief über der abstrusen Welt der batrachischen Einwohner des squamösen Dulwich.‹ Was heißt das? Was heißt das? Ich sag’ euch, was es verdammt noch mal heißt: Es heißt, dass der Mond voll war und alle, die in Dulwich lebten, ein Haufen verrückter Frösche waren. Das soll es bedeuten.«
    »Was war das andere Wort, das du gesagt hast?«, fragte Wilf.
    »Was?«
    » Squamös. Was soll das bedeuten?«
    Seth zuckte die Schultern. »Keine Ahnung«, räumte er ein. »Aber er hat es ständig

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