Die Messerknigin
denken daran, doch vor allem spielen sie es.
Mein Rekord sind achtzehn Stunden nonstop.
40.012 Punkte, 3 Fanfaren.
Man überwindet die Tränen, die schmerzenden Gelenke, den Hunger,
irgendwann wird alles belanglos.
Alles bis auf das Spiel, sollte ich sagen.
In meinem Kopf ist kein Platz mehr, kein Platz für andere Dinge.
Wir kopierten das Spiel, gaben es unseren Freunden.
Es transzendiert Sprache, beansprucht unsere Zeit.
Manchmal kommt es mir vor, als vergäße ich in letzter Zeit allerhand.
Ich frage mich, was aus dem Fernsehen geworden ist. Das gab es früher.
Ich frage mich, was werden soll, wenn ich keine Konserven mehr habe.
Ich frage mich, wohin all die Leute verschwunden sind. Dann erkenne ich:
Wenn ich schnell genug bin, kann ich das schwarze Quadrat an die rote Linie verschieben
es spiegeln und sie drehen, sodass sie beide verschwinden
und der linke Block frei wird
für das Aufsteigen der weißen Blase …
(Sodass sie beide verschwinden.)
Und wird der Strom für immer abgestellt
spiel ich im Kopf weiter, bis mein letzter Vorhang fällt.
Charlotte
1965 war ich neunzehn Jahre alt, trug Röhrenjeans und meine Haare wuchsen langsam und klammheimlich Richtung Hemdkragen. Jedes Mal wenn man das Radio einschaltete, sangen die Beatles Help! und ich wünschte mir, ich wäre John Lennon, ständig einen zynischen Spruch auf den Lippen und Mädchen, die mir hinterherkreischten. Das war das Jahr, als ich mein erstes Penthouse kaufte, an einem kleinen Kiosk in der King’s Road. Ich bezahlte meine paar Schillinge und stopfte die Zeitschrift unter den Pullover. Auf dem Heimweg sah ich hin und wieder an mir runter, um sicherzugehen, dass sie auch keine Löcher in die Wolle brannte.
Die Zeitschrift wurde schon vor langer Zeit weggeworfen, aber ich werde mich immer daran erinnern: gesetzte Beiträge über Zensur, eine Kurzgeschichte von H.E. Bates und ein Interview mit einem amerikanischen Schriftsteller, den ich nicht kannte; ein Modeteil über Mohairanzüge und Paisley-Krawatten, die es in der Carnaby Street zu kaufen gab. Und das Beste von allem waren natürlich die Mädchen; und das beste von allen Mädchen war Charlotte.
Charlotte war auch neunzehn.
Alle Mädchen in dieser längst vergangenen Zeitschrift schienen identisch mit ihrem makellosen Plastikfleisch, jedes Härchen saß perfekt (man konnte das Haarspray förmlich riechen) und sie lächelten treuherzig in die Kamera, während ihre Augen einen durch ein dichtes Wimperngestrüpp hindurch anzwinkerten. Weißer Lippenstift, weiße Zähne, weiße Brüste – bikinigebleicht. Mir fiel überhaupt nicht auf, in welch seltsamen Posen sie sich züchtig arrangierten, um zu verhindern, dass auch nur das kleinste Löckchen oder ein Schatten ihrer Schamhaare zu sehen war – ich hätte sowieso nicht gewusst, was das war. Ich hatte nur Augen für ihre blassen Hinterteile und Brüste, ihre keuschen, aber doch einladenden, auffordernden Blicke.
Dann schlug ich die nächste Seite auf und sah Charlotte. Sie unterschied sich von den anderen. Charlotte war Sex, sie trug Sexualität wie einen durchsichtigen Schleier, wie ein betörendes Parfum.
Neben den Bildern standen Wörter und ich las wie in Trance: »Die bezaubernde Charlotte Reave ist neunzehn … eine aufrührerische Individualistin und Beat-Dichterin … schreibt Beiträge für das FAB Magazine …« Satzfetzen brannten sich in mein Gedächtnis, während ich die zweidimensionalen Bilder studierte. Sie posierte und schmollte in einer Wohnung in Chelsea – die dem Fotografen gehörte, nahm ich an – und ich wusste, dass ich sie brauchte.
Sie war so alt wie ich. Das war Schicksal.
Charlotte.
Charlotte war neunzehn.
Von da an kaufte ich Penthouse regelmäßig in der Hoffnung, sie werde wieder darin auftauchen. Doch das tat sie nicht. Jedenfalls nicht damals.
Sechs Monate später fand meine Mum einen Schuhkarton unter meinem Bett und schaute hinein. Erst machte sie mir eine Szene, dann warf sie die Zeitschriften in den Müll und schließlich mich aus der Wohnung. Am nächsten Tag fand ich einen Job und eine Einzimmerwohnung in Earl’s Court, alles in allem ohne größere Schwierigkeiten.
Ich arbeitete in einem Elektroladen unweit der Edgware Road. Alles, was ich konnte, war, einen Stecker auszuwechseln, aber damals konnten die Leute es sich leisten, für solche Kleinigkeiten einen Elektriker kommen zu lassen. Mein Boss meinte, mit der Zeit werde ich alles andere schon lernen.
Das ging
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