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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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traumlos und doch so, als ob er schliefe
    der Krake …«
    Ich hatte ausgetrunken. »Und? Worauf wollen Sie hinaus?«
    Er kam hinter der Bar hervor und führte mich zum Fenster: »Sehen Sie? Da draußen?«
    Er zeigte nach Westen, auf die Klippen am Ortsrand. Während ich hinübersah, flammte oben auf den Felsen ein Feuer auf, leuchtete hell und brannte mit kupfergrünen Flammen.
    »Sie werden die Wesen der Tiefe aufwecken«, sagte der Barkeeper. »Die Sterne und Planeten und der Mond sind alle in der richtigen Position. Es ist Zeit. Das trockene Land wird versinken, das Meer wird sich erheben …«
    »Denn die Welt soll gereinigt werden durch Eis und Fluten und ich wäre dankbar, wenn Sie sich auf Ihr Fach im Kühlschrank beschränken«, fügte ich an.
    »Wie bitte?«
    »Gar nichts. Wie komme ich denn am schnellsten auf die Klippe?«
    »Die Marsh Street hinauf. Dann halten Sie sich links hinter der Church of Dagon, bis Sie zum Manuxet Way kommen. Dann immer geradeaus.« Er holte seinen Mantel vom Haken hinter der Tür und zog ihn über. »Kommen Sie. Ich bring Sie hin. Den Spaß möchte ich um nichts in der Welt versäumen.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Heute Abend wird sowieso niemand zum Trinken herkommen.« Wir traten ins Freie und er sperrte die Tür ab.
    Es war kalt in den Straßen. Der frisch gefallene Schnee wurde in kleinen weißen Nebelbänken über den Boden geweht. Von der Straße aus konnte ich nicht erkennen, ob Madame Ezekiel noch in ihrem Salon über dem Neonschild weilte oder ob meine Besucher immer noch im Büro warteten.
    Wir senkten die Köpfe gegen den Wind und stiefelten los.
    Trotz des Brausens des Windes hörte ich den Barkeeper vor sich hin murmeln.
    »Schlingt mit schleimigen Armen von nassem Grün«, zitierte er.
    »Dort tobt er und wird ewig weiter toben
    schlägt alles Seegetier, obgleich er schliefe,
    bis einst die Glut des Weltgerichts versengt die Tiefe
    Dann sollen Engel wie auch Sterbliche ihn sehen,
    wenn er emporsteigt …«
    Er brach ab und schweigend gingen wir weiter, während der aufgewirbelte Schnee uns wie Nadelstiche ins Gesicht traf.
    Und elend verendet droben , dachte ich, sprach es aber nicht aus.
    Nach zwanzig Minuten Fußweg hatten wir Innsmouth hinter uns gelassen. Als wir die Stadtgrenze passierten, hörte der Manuxet Way plötzlich auf und wurde zu einem schmalen Trampelpfad, teilweise mit Eis und Schnee bedeckt, und schlitternd und rutschend kämpften wir uns in der Dunkelheit die Anhöhe hinauf.
    Der Mond war noch nicht aufgegangen, aber die Sterne kamen schon zum Vorschein. Es waren so viele. Wie Diamantstaub und zerstoßene Saphire waren sie über den Nachthimmel gestreut. Man sieht so unglaublich viele Sterne am Meer, viel mehr als irgendwo in der Stadt.
    Oben auf der Klippe standen zwei Gestalten hinter dem Feuer, die eine riesig und fett, die zweite viel kleiner. Der Barkeeper ging hinüber und stellte sich neben sie, mir gegenüber.
    »Sehet«, sagte er. »Der Opferwolf.« Plötzlich hatte seine Stimme etwas seltsam Vertrautes.
    Ich sagte nichts. Das Feuer züngelte mit grünen Flammen und strahlte die drei von unten an; klassische Spukbeleuchtung.
    »Wissen Sie, warum ich Sie hier heraufgebracht habe?«, fragte der Barkeeper und mir wurde klar, warum die Stimme mir bekannt vorkam. Es war die Stimme des Mannes, der versucht hatte, mir Aluminiumblech zu verkaufen.
    »Um das Ende der Welt abzuwenden?«
    Er lachte mich aus.
    Die zweite Figur war der dicke Mann, den ich schlafend in meinem Büro angetroffen hatte. »Nun, wenn Sie es eschatologisch betrachten wollen …«, murmelte er mit einer so tiefen Stimme, dass sie Mauern zum Einsturz hätte bringen können. Seine Augen waren geschlossen. Er schlief fest.
    Die dritte Gestalt war in Seide gehüllt und roch nach Patchouli. Sie hielt ein Messer in der Hand und schwieg.
    »Heute Nacht«, begann der Barkeeper, »ist der Mond der Mond der Wesen der Tiefe. Heute Nacht stehen die Sterne in den Formen und Mustern der finsteren alten Tage. Heute Nacht werden sie kommen, wenn wir sie rufen. Wenn unser Opfer würdig ist. Wenn unser Rufen erhört wird.«
    Der Mond ging auf der anderen Seite der Bucht auf, riesig, bernsteinfarben und prall und mit ihm erhob sich weit unter uns aus dem Meer ein Chor leise quakender Stimmen.
    Mondlicht auf Schnee und Eis ist nicht so hell wie Tageslicht, aber hell genug. Außerdem wurden meine Augen mit dem Mondaufgang schärfer: In der eisigen See schwammen Männer, die wie Frösche

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