Die Messerknigin
aus wie das unappetitliche Zeug im Sushi-Laden: ein Gewirr aus Saugnäpfen und Stacheln und Tentakel und irgendwo zwischen all diesem Zeug erahnte ich ihr Lächeln.
Ich drückte mich mit den Hinterläufen ab. Dort in der Tiefe trafen wir aufeinander und rangen. Ich schlug meine Fänge in ihr Gesicht und spürte etwas nachgeben und zerreißen.
Es war fast wie ein Kuss, dort unten im tiefen Abgrund …
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Ich landete weich im Schnee, einen Seidenschal im Maul. Die übrigen seidenen Gewänder flatterten zu Boden. Madame Ezekiel war nirgends zu sehen.
Das Silbermesser lag ebenfalls im Schnee. Ich wartete auf allen vieren im Mondschein, völlig durchnässt. Ich schüttelte mich und ein kleiner Salzwasserschauer ging nieder. Ich hörte es zischen, als er aufs Feuer traf.
Ich fühlte mich schwindelig und schwach, sog die Luft tief in meine Lungen.
Weit unten in der Bucht sah ich die Froschmenschen wie Kadaver auf der Wasseroberfläche treiben. Ein paar Sekunden trieben sie mit den Wellen vor und zurück, dann wirbelten sie plötzlich umher und sprangen und einer nach dem anderen verschwand mit einem Plopp unter Wasser.
Ein Schrei erhob sich. Es war der fuchshaarige Barkeeper. Der glupschäugige Aluminiumblechverkäufer starrte zum Nachthimmel auf, zu den heranziehenden Wolken, die die Sterne verschluckten, und er kreischte. Zorn und Frustration schwangen in diesem Schrei mit und er machte mir Angst.
Er hob das Messer vom Boden auf, wischte mit den Fingern den Schnee vom Griff und an seinem Mantel das Blut von der Klinge. Dann sah er zu mir herüber. Er weinte. »Du Bastard«, sagte er. »Was hast du ihr angetan?«
Ich hätte ihm gerne gesagt, dass ich ihr überhaupt nichts getan hatte, dass sie immer noch weit unter dem Meer wachte, aber ich konnte nicht mehr sprechen, nur noch knurren und jaulen und heulen.
Er weinte immer noch. Er stank nach Wahnsinn und Enttäuschung. Mit erhobenem Messer kam er auf mich zugerannt und ich wich zur Seite.
Manche Leute können sich nicht einmal auf kleinste Veränderungen einstellen. Der Barkeeper taumelte an mir vorbei über die Klippe ins Nichts.
Im Mondlicht ist Blut schwarz, nicht rot, und die Flecken, die er bei jedem Aufprall auf den Felsen hinterließ, waren schwarz und dunkelgrau. Dann lag er schließlich still auf den eisverkrusteten Felsen am Fuß der Klippe, bis ein Arm aus dem Meer auftauchte und ihn mit einer Langsamkeit, die anzusehen beinah schmerzhaft war, in die Tiefe zog.
Eine Hand kraulte mir den Hinterkopf. Ein gutes Gefühl.
»Was war sie schon? Nur eine Verkörperung der Wesen der Tiefe, Sir. Ein Eidolon, eine Manifestation, wenn Sie so wollen, aus den unvorstellbarsten Tiefen zu uns heraufgesandt, um die Welt zum Untergang zu bringen.«
Mein Fell sträubte sich.
»Nein, es ist vorbei. Für dieses Mal. Sie haben ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht, Sir. Das vorschriftsmäßige Ritual ist genau festgelegt: Drei von uns müssen zusammenkommen und die geheiligten Namen rufen, während unschuldiges Blut sich zu unseren Füßen ergießt.«
Ich sah zu dem fetten Mann auf und jaulte eine Frage. Er strich mir schläfrig über den Nacken.
»Natürlich liebt sie Sie nicht, mein Junge. Sie existiert ja kaum auf dieser Ebene. Jedenfalls in keinem materiellen Sinn.«
Es begann wieder zu schneien. Das Feuer erstarb.
»Übrigens, Ihre Verwandlung heute Nacht … Ich würde meinen, sie war das direkte Ergebnis exakt derselben himmlischen Konstellationen und Mondeinflüsse, die diese Nacht zum perfekten Zeitpunkt machten, um meine alten Freunde aus der Tiefe zurückzurufen …«
Er fuhr fort mit dieser tiefen Stimme zu sprechen und vielleicht sagte er mir wichtige Dinge. Ich weiß es nicht, denn der Appetit war in mir erwacht, und seine Worte hatten jede Bedeutung verloren. Ich hatte keinerlei Interesse mehr an der Klippe oder dem fetten Mann.
Im Wald jenseits der Wiesen lief Rotwild. Ich konnte es in der winterlichen Nachtluft riechen.
Und vor allen anderen Dingen war ich hungrig.
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Ich war nackt, als ich früh am nächsten Morgen wieder zu mir kam. Ein halb gefressener Hirsch lag neben mir im Schnee. Eine Fliege kroch über sein Auge und die Zunge hing aus seinem toten Maul, ließ ihn lächerlich und auf beklemmende Weise komisch wirken, wie ein Tier in einem Zeitungscartoon.
Dort wo der Leib des Hirsches aufgerissen war, bedeckten leuchtend rote Flecken den Schnee.
Mein Gesicht und meine Brust waren klebrig und rot von dem Zeug. Meine
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