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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Kehle fühlte sich wund und rau an und schmerzte. Doch beim nächsten Vollmond würde sie wieder völlig geheilt sein.
    Die Sonne schien unendlich weit weg, klein und gelb, doch der Himmel war blau und wolkenlos. Kein Windhauch regte sich. In der Ferne hörte ich das Donnern der See.
    Ich war durchfroren, nackt, voller Blut und allein. Na ja , dachte ich, das passiert uns wohl allen am Anfang. Und es kommt ja nur einmal im Monat.
    Ich war zu Tode erschöpft, aber ich musste durchhalten, bis ich eine Höhle oder verlassene Scheune fand, und dann wollte ich zwei Wochen lang schlafen.
    Ein Falke flog niedrig über dem verschneiten Boden auf mich zu. Etwas baumelte in seinen Klauen. Für die Dauer eines Herzschlages hing er reglos über mir in der Luft, dann ließ er einen kleinen grauen Tintenfisch zu meinen Füßen fallen und schwang sich in die Lüfte. Schlaff und reglos lag das kleine vielarmige Ding da im blutbesudelten Schnee.
    Ich nahm es als Omen, doch ob es ein gutes oder schlechtes war, konnte ich nicht sagen. Es spielte auch keine große Rolle mehr. Ich kehrte dem Meer und dem finsteren Dorf Innsmouth den Rücken und machte mich auf den Weg zurück in die Stadt.

Baywolf

    Hör’n Sie, Talbot. Jemand tötet meine Leute.
    Roths Stimme am Telefon rauscht wie die See in der Muschel.
    Stellen Sie fest, wer und wieso, und machen Sie dem ein Ende.
    Ein Ende? Wie? , frag ich.
    Tun Sie, was nötig ist , antwortet er. Doch wer immer es ist,
    soll nicht wieder aufsteh’n, verstanden?
    Ich hatte verstanden. Und einen Job.
    Hört mir zu: Das war damals, in den Zweitausendzwanzigern
    in L.A., unten am Venice Beach.
    Gar Roth war der King in dem Teil der Welt,
    pushte Stims und Pumps und auch Steroide,
    Wandeldrogen – hatte eine ziemliche Anhängerschaft.
    Junge Muskelmänner, Kids für die Fitness Fetisch war,
    und Mädchen wie Göttinnen, gebräunt und gedopt.
    Alle liebten Roth, der ihnen gab, was sie brauchten.
    Die Bullen ließen sich von ihm schmieren und drückten die Augen zu.
    Ihm gehörte die Strandwelt von Laguna Beach bis nach Malibu.
    Er besaß eine Strandburg, wo die Muskelmänner und Göttinnen,
    die Gockel und Paradiesvögel sich trafen.
    Doch die Stadt betete das Fleisch an und siehe, das Fleisch ward ihres.
    Sie feierten Partys. Alle feierten Partys,
    berauscht, benebelt und aufgeputscht.
    Die Musik war so laut, man spürte sie in den Knochen,
    und das war der Moment, wo etwas kam und sie holte, lautlos,
    was immer es war. Es knackte die Köpfe, zerfetzte ihr Fleisch.
    Keiner hörte die Schreie im Dröhnen der Oldies und dem Donnern der See.
    Es war das Jahr des Death Metal Revivals.
    Es hatte sich vielleicht ein Dutzend geholt und ins Meer gezerrt;
    der Tod kam früh morgens.
    Roth verdächtigte seine Rivalen, ein Drogenkartell,
    stellte mehr Wachen auf, in Hubschraubern und Booten,
    für den Fall seiner Rückkehr. Und es kam wieder und wieder.
    Doch die Videokameras zeigten absolut gar nichts.
    Sie wussten nicht, was es war, und doch
    zerpflückte es sie und biss ihnen den Kopf ab,
    riss Implantate aus üppigen Brüsten,
    ließ hormongeschrumpfte Testikel am Strand zurück
    wie winzige weltkugelrunde Figuren im Sand.
    Es schadete Roth: Der Strand war nicht mehr derselbe.
    Und das war der Moment, da er mich anrief.
    Ich stieg hinweg über schlafende Engel beiderlei Geschlechts,
    tippte Roth auf die Schulter und sofort
    waren ein Dutzend Gewehre
    auf meinen Kopf und die Brust gerichtet,
    also sag ich: Ich bin doch kein Monster.
    Oder zumindest nicht euer Monster.
    Noch nicht.
    Ich gab ihm meine Karte. Talbot , sagt er,
    sind Sie der Regulator, mit dem ich gesprochen hab’?
    Genau , sag ich, coole Nummer am Nachmittag,
    und hier gibt’s ein Problem, das reguliert werden sollte.
    Das ist der Deal , sag ich,
    ich lös Ihr Problem und Sie zahlen und zahlen.
    Sicher, abgemacht , sagt Roth. Was immer Sie wollen.
    Ich weiß sowieso, wer dahinter steckt: die eurisraelische
    Mafia oder die Schlitzaugen. Haben Sie Angst?
    Nein , sag ich ihm, vor denen nicht.
    Ich wünschte mir beinah, ich hätte sie in ihrer Glanzzeit gesehen.
    Jetzt wirkten Roths schöne Kinder auf einmal dünn dort am Boden,
    keins war aus der Nähe
    so wonnig und kurvig wie von Ferne betrachtet.
    Bei Dämmerung beginnt die Party.
    Ich sage Roth, dass ich Death Metal schon beim ersten Mal grauenhaft fand
    und er sagt, ich müsse älter sein, als ich ausseh.
    Sie drehen laut auf. Die Boxen lassen den Strand erdröhnen und beben.
    Ich

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