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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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aussahen, tauchten auf und unter in einem langsamen Wassertanz. Froschartige Männer. Und Frauen ebenfalls. Ich glaubte, meine Wirtin dort unten auszumachen, die sich mit all den anderen quakend im Wasser der Bucht wand.
    Es war zu früh für eine erneute Verwandlung, ich war von der vergangenen Nacht noch völlig erledigt. Aber im Licht des Bernsteinmondes überkam mich ein eigentümliches Gefühl.
    »Armer Wolfsmann«, flüsterte es aus den seidenen Schleiern. »All seine Träume enden hier: ein einsamer Tod auf einer fernen Klippe.«
    Ich werde träumen, wenn ich will , sagte ich, und mein Tod ist allein meine Angelegenheit. Aber ich wusste nicht, ob ich es laut ausgesprochen hatte.
    Die Sinne schärfen sich im Mondlicht. Ich hörte immer noch das Rauschen der See, doch deutlicher vernahm ich das Aufschäumen und Brechen jeder einzelnen Welle. Ich hörte das Platschen der Froschmenschen, das Knarren der grünen Wracks weit unter dem Meer.
    Auch der Geruchssinn verfeinert sich. Der Aluminiumblechmann war menschlich, während der Fettwanst anderes Blut in den Adern hatte.
    Und die seidenverschleierte Person …
    Ich hatte ihr Parfüm gerochen, als ich in Menschengestalt wandelte. Jetzt nahm ich noch etwas anderes, weniger Betörendes darunter wahr. Einen Geruch nach Verwesung, nach faulendem Fleisch.
    Die Seide flatterte. Die Gestalt bewegte sich auf mich zu. Sie hielt ein Messer.
    »Madame Ezekiel?« Meine Stimme wurde rauer und heiser. Bald würde sie ganz verschwunden sein. Ich verstand nicht, was vorging, doch der Mond stieg höher und höher, verlor seine Bernsteinfarbe und füllte mein Bewusstsein mit seinem bleichen Licht.
    »Madame Ezekiel?«
    »Du hast es verdient zu sterben«, sagte sie, ihre Stimme leise und kalt. »Und sei es nur für das, was du mit meinen Karten getan hast. Sie waren alt.«
    »Ich kann nicht sterben«, erklärte ich ihr. »›Selbst ein Mann, der reinen Herzens ist und abends seine Gebete spricht.‹ Erinnern Sie sich?«
    »Das ist doch Scheiße«, sagte sie. »Kennst du die älteste Methode, einen Werwolffluch zu beenden?«
    »Nein.«
    Das Feuer brannte jetzt heller, brannte in dem Grün der Welt unter dem Meer, dem Grün der Algen und sich langsam wiegenden Seegrases, brannte mit der Farbe von Smaragden.
    »Man wartet einfach, bis der Wolf wieder menschlicher Gestalt ist, einen ganzen Monat von seiner nächsten Verwandlung entfernt, dann nimmt man das Opfermesser und tötet ihn damit. Das ist alles.«
    Ich wandte mich ab, um zu fliehen, aber der Barkeeper war hinter mir, packte meine Handgelenke und drehte mir die Arme auf den Rücken. Das Messer hatte einen bleichen Silberschimmer im Mondlicht. Madame Ezekiel lächelte.
    Sie schlitzte mir die Kehle auf.
    Blut schoss aus der Wunde und begann zu fließen. Dann verlangsamte sich der Strom und versiegte …

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    … Das Pochen in meiner Stirn, der Druck im Rücken. Alles ist schäumende Verwandlung kochende pochende Verwandlung eine rote Wand rast aus der Nacht auf mich zu
    … Ich schmeckte Sterne aufgelöst in Lake perlend und fern und salzig
    … meine Finger prickelten Flammenzungen peitschten meine Haut meine Augen waren Topase ich konnte die Nacht schmecken

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    Mein Atem dampfte in der eisigen Luft.
    Ich knurrte ungewollt, tief in der Kehle. Meine Vorderpfoten standen im Schnee.
    Ich wich zurück, spannte die Muskeln, sprang sie an.
    Ein Hauch von Verfall hing in der Luft wie ein Nebel, hüllte mich ein. Am höchsten Punkt meines Sprungs schien ich zu verharren und etwas zerplatzte wie eine Seifenblase …

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    Ich sank tief, tief in die Dunkelheit unter dem Meer, stand mit allen vier Pfoten auf einem schleimigen Felsenboden am Eingang einer Zitadelle, die aus gewaltigen, grob behauenen Steinen errichtet war. Die Steine gaben ein bleiches, phosphoreszierendes Licht ab, ein geisterhafter Schimmer, wie die Zeiger einer Uhr.
    Eine Wolke aus schwarzem Blut umringte meinen Hals.
    Sie stand vor mir in der Toröffnung, war jetzt an die zwei Meter groß. Fleischfetzen hingen an ihrem Skelett, zerfressen und angenagt und die Seidengewänder waren jetzt aus Tang, der sacht im kalten Wasser wogte, dort unten in den traumlosen Tiefen. Der Tang verhüllte ihr Gesicht wie ein grüner Schleier.
    Muscheln wuchsen an der Oberfläche ihrer Arme und dem Fleisch, das an ihren Rippen hing.
    Ich fühlte mich, als würde ich zerquetscht. Ich konnte nicht mehr denken.
    Sie kam auf mich zu. Der Tang um ihren Kopf bewegte sich. Ihr Gesicht sah

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