Die Messermacher (German Edition)
ihrer Maskerade stülpte sie sich in der Garage ihren Helm auf den Kopf, schulterte ihren Rucksack mit Proviant und Wechselkleidung und verschnürte die Tüte mit den Rucksäcken auf der Rückbank ihres Rollers. Wie praktisch war es doch, dass sie am Berg wohnten. Sie konnte sich bis weit hinunter ins Tal rollen lassen und dann erst den Motor anwerfen. So konnte sie sicher sein, dass niemand von ihrer Familie sie beobachten würde. Konnte sie sich dessen wirklich sicher sein?
Felix hatte auch eine unruhige Nacht gehabt. Er hatte von seiner neuen Klassenkameradin geträumt und war mit einem seltsamen Gefühl in der Mitte seines Körpers aufgewacht. Gerade, als er von der Toilette zurückkam, sah er Nora um die Ecke huschen. Er hätte sie beinahe nicht gesehen, denn sie war komplett schwarz angezogen. War das die neue Sommermode? Heute sollte doch ein heißer Tag werden, wie konnte man da in schwarzen Klamotten herumlaufen, zumal man doch einen Neugeborenen-Besuch machen wollte? Weiber! Da sollte mal einer durchblicken! Vielleicht hatte sie ja noch Wechselklamotten dabei und wollte nur zum Rollerfahren was Warmes anhaben? Immerhin war es so früh ja noch recht frisch draußen. Beruhigt trottete der Junge zurück in sein Zimmer und gab sich kurz seinen träumerischen Gedanken über die süße Blonde hin, bis er wieder zufrieden lächelnd einschlief.
Nora war indessen bereits in der Siedlung angekommen, in der ihre Tante lebte. Ein paar Häuserblocks weiter stellte sie ihren Roller ab und sicherte ihn mit einer dicken Kette an einem Laternenpfahl. Das war der Nachteil daran, wenn man immer das Neueste und Teuerste haben musste. Jederzeit musste man damit rechnen, dass es einem geklaut wurde und es war sehr lästig, immer alles abschließen oder anketten zu müssen. Gerade heute wäre es Nora lieber gewesen, sie hätte ein unauffälligeres Gefährt gehabt. Zum Glück passte ihr Helm unter den Sitz und war somit gut und unsichtbar verstaut.
Es war bereits halb sechs und schon richtig hell, als sich Nora zur Tiefgarage schlich, wo Mariannes Porsche immer geparkt war. Eigentlich war die junge Schnüfflerin davon ausgegangen, dass die Garage unverschlossen war, doch leider war man hier anscheinend von der misstrauischen Sorte – alle Türen waren geschlossen. Schöner Mist! Nun musste sie warten, bis jemand kam und die Türe dann zumindest tagsüber offen ließ. Also kauerte sie sich in der Nähe einer der Türen hinter die Mülltonnen und machte es sich auf den Schlafsäcken einigermaßen bequem. Da sie gar nicht geschlafen hatte, hatte sie nun Mühe, wach zu bleiben. Sie versuchte, sich auf den Gesang der Vögel zu konzentrieren, doch das machte sie noch schläfriger. Also begann sie, in die umliegenden Fenster zu schauen und zu beobachten, wie die Welt um sie herum langsam aufwachte und sich in den diversen Wohnungen immer mehr regte. Beinahe hätte sie darüber versäumt, die Garagentüre im Auge zu behalten und sie schaffte es gerade noch, ihren Rucksack in die bereits wieder zufallende Türe zu werfen. Hoffentlich hatte der- oder diejenige den Aufprall nicht gehört! Schnell hastete Nora mit der Schlafsacktüte hinterher und warf sich zusammen mit ihrem Rucksack hinters nächststehende Auto. Ihr Pech war nur, dass ausgerechnet dieser Wagen gerade angelassen wurde und der erste Auspuffschwall traf sie genau im Gesicht! Ihr Glück war, dass sie die Sturmhaube über Nase und Mund hatte und die Sonnenbrille ihre Augen schützte. So wich sie zwar erschrocken zurück, musste aber nicht husten. Auf den Knien krabbelte sie zum nächsten Wagen und duckte sich mit hämmerndem Herzen und schwer atmend dahinter. Erst als das Auto aus der Garage draußen war und wieder Stille einkehrte, wagte Nora einen Blick über die anderen Autos. Wo stand Mariannes Porsche? Panisch sah Nora sich um und konnte ihn nirgends entdecken. War ihre Tante womöglich doch schon früher losgefahren und hatte sie schon wieder angelogen? Das durfte doch nicht wahr sein! Resigniert schlurfte Nora zur Sicherheit durch die ganze Garage, aber Mariannes Porsche war nicht da. Ihre ganze Aktion war umsonst gewesen! Ihre Tante war augenscheinlich schon weg. Oder hatte sie womöglich gestern draußen geparkt? Mit neuem Elan huschte Nora hinaus und ließ ihren Blick, geschützt durch die hohen Hecken, an der Straße hinauf und hinunter gleiten, als im gleichen Moment Mariannes Porsche um die Ecke gefahren kam.
Wo kam die denn jetzt her?
Hastig
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