Die Messermacher (German Edition)
versteckte sich Nora hinter einem Dornenbusch, wobei die Tüte mit den Schlafsäcken aufriss und sie mit ihrer Sturmhaube in den Ästen hängen blieb. Ihre Tante parkte ihren Wagen genau vor der Einfahrt der Garage, sprang heraus und ohne abzuschließen rannte sie zur Eingangstüre ihres Wohnblocks. Ob sie etwas vergessen hatte? Nora machte sich darüber aber keine weiteren Gedanken. Sie riss sich von den Dornen los und schlüpfte auf den Rücksitz. Da sie nicht wusste, wie viel Zeit ihr noch blieb, bis ihre Tante zurückkam, zerrte sie in wilder Hast die Schlafsäcke aus ihren Hüllen und legte sich einen zum draufliegen bereit und den anderen deckte sie über sich und ihren Rucksack. Marianne hatte sogar im Sommer immer eine Wolldecke im Auto und diese warf sich Nora ebenfalls über. Die aufgeregte junge Dame war sich sicher, dass ihre Tante andere Sorgen hatte, als auf den Rücksitz zu achten, der ja bei diesen Sportwagen sehr eng war und wenig Beachtung fand. Es dauerte auch nicht lange und Marianne war wieder zurück und warf ihre Badetasche auf den Rücksitz, wie sie es immer tat, ohne darauf zu achten, welches Durcheinander dort herrschte. Sie hatte sich kurzerhand entschlossen, wenn sie schon in München war, weiter nach Erding in dieses tolle Spaßbad zu fahren. Da wollte sie schon lange mal hin und die Geldübergabe bei diesem Mike würde ja nur Minuten dauern. Dann war die Sache endlich erledigt und sie konnte sich in der Saunalandschaft entspannen. Jetzt fing ein neues Leben an und das wollte sie heute schon anfangen zu genießen.
Die arme Nora schwitzte, obwohl ihre Tante die Klimaanlage auf nur 18 Grad eingestellt hatte. So ein Sportwagen war recht hart gefedert und Nora spürte jede Bodenwelle. Marianne hatte eine rasante Fahrweise und so wurde der arme blinde Passagier ständig beim Beschleunigen in die eine Richtung gepresst und beim abrupten Abbremsen gegen die Vordersitze gedrückt. Zum wiederholten Male fragte sich Nora, was sie sich bei dieser Aktion eigentlich gedacht hatte? Würde ihre Tante sie wirklich nicht entdecken und konnte sie es überhaupt schaffen, ihr in München unauffällig zu folgen? Doch jetzt schon aufgeben konnte und wollte sie nicht und so biss sie die Zähne zusammen und hielt durch. Marianne schien guter Laune zu sein, denn sie trällerte fast jeden Song mit, sodass sich Nora bald die Ohren zuhalten musste. Singen war eindeutig nicht Mariannes Stärke! Sie machte leider auch keine Rast, sodass Nora sich hätte mal kurz ausstrecken oder frische Luft schnappen können. Ganze zweieinhalb Stunden musste das Mädchen ausharren, bis ihre Tante endlich ihr Ziel erreicht hatte. Oder machte sie nun doch irgendwo eine Pause?
Marianne schnappte sich ihre Handtasche und stieg aus. Suchend blickte sie sich um und steuerte dann auf den Parkscheinautomaten zu. Wie immer ließ sie ihren Wagen dabei offen, denn sie musste den Parkschein ja gleich noch unter die Windschutzscheibe legen. Diesen Augenblick nutzte Nora, um so schnell sie konnte den Porsche zu verlassen. Ihre Gelenke waren aber so steif, dass sie das nur äußerst mühsam schaffte und so hatte sie nicht mehr die Zeit, auch noch die Schlafsäcke mit herauszuziehen. Sie konnte sich gerade noch hinter einen Wagen flüchten, bevor ihre Tante mit dem Parkschein zurückkam. Mit zitternden Knien und üblem Herzklopfen beobachtete Nora, wie ihre Tante zum Hintereingang einer Kneipe steuerte. Als sie aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, huschte Nora hinterher und zog sich dabei die verdächtig aussehende Sturmhaube vom Kopf. Dabei riss sie auch noch ihre Sonnenbrille herunter, doch sie hatte keine Zeit mehr, diese vom Boden aufzuheben. Sie sah Marianne gerade noch in einer Türe verschwinden und lautlos quetschte sich Nora durch die bereits zufallende Türe. Nun stand sie in einem düsteren Gang und hörte klackernde Schritte, die in den ersten Stock hinauf gingen. Dass es ihre Tante war, die sie da hörte, bestätigte sich auch sogleich, als Marianne rief:
„Jemand zu Hause?“
„Wer ist da?“, fragte sofort eine misstrauische Stimme.
„Ich suche den Mike. Können Sie mir sagen, wo ich den finden kann? Ich muss ihm nur etwas überbringen“, säuselte Marianne in ihrem freundlichsten Tonfall, doch Nora hörte heraus, dass ihre Tante nervös war.
„Der ist nicht hier, aber sein Freund kommt gleich zurück. Wir haben den Mike schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Wenn Sie mit Sven sprechen und auf ihn
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