Die Messermacher (German Edition)
warten wollen, können sie runter in die Bar gehen. Wollen Sie was trinken?“, fragte der Mann freundlich und schickte seine Besucherin wieder die Treppe hinunter in den Gastraum.
„Ein Cappuccino wäre nicht schlecht, danke“, raunte Marianne mit plötzlich brüchiger Stimme und stöckelte in ihren High Heels die steile Treppe hinunter. Nora hatte gerade noch Zeit, sich unter der alten Holztreppe in Sicherheit zu bringen. Doch kurz vor dem Gastraum machte Marianne plötzlich kehrt und stürmte wieder zur Tür hinaus. Nora war so perplex, dass sie zunächst nicht reagieren konnte und als sie es dann doch schaffte, ihre Beine zu bewegen, kam der Wirt die Treppe herunter, um seinem Gast den Kaffee zu bringen. Nora musste also zunächst in Deckung bleiben und konnte ihrer Tante nicht folgen. Erst als der Wirt nach seinem Gast rief und ihn suchte, huschte Nora ungesehen zur Türe hinaus. Entsetzt musste sie feststellen, dass Marianne bereits im Wagen saß und davonbrauste. Doch dann beruhigte sich Nora sofort wieder, denn sie hatte sowieso nicht vorgehabt, mit Marianne wieder zurückzufahren. Das war zu gefährlich und auf eine weitere Höllenfahrt konnte sie gut verzichten. Sie wollte hier bleiben und bis zum Abend warten. Dann würde die Kneipe offiziell ihre Türen öffnen und sie konnte versuchen, etwas über diesen Mike in Erfahrung zu bringen!
25
Marianne war verzweifelt. Sie hatte so gehofft, dass sie diesem Mike nur sein Geld geben musste, dann wäre diese Angelegenheit endlich erledigt. Aber wenn der Typ schon seit Tagen verschwunden war, konnte das nichts Gutes bedeuten! Sie musste Renos schwulem Freund, diesem Rüdiger einen Besuch abstatten, daran führte kein Weg vorbei. Sie musste wissen, ob Mike ihren Auftrag ausgeführt und anstelle ihres Vaters mit Rüdiger Schluss gemacht hatte. Es war doch alles so einfach gewesen …
Durch Zufall hatte Marianne von den Neigungen ihres Vaters erfahren. Sie waren damals gemeinsam auf einer Messerbörse in München gewesen. Nach dem Abendessen hatten beide ihre Einzelzimmer aufgesucht und Marianne war wie immer ihrem heimlichen Hobby nachgegangen: Mit dem Fernglas Leute zu beobachten. Zu ihrem maßlosen Entsetzen hatte sie dann ihren Vater beobachtet, wie er einen wesentlich jüngeren, langhaarigen Typen stürmisch umarmt hatte. Danach waren sie eng umschlungen in diese Schwulenbar gegangen, wo sie heute nach Mike gefragt hatte. Total geschockt hatte die Tochter dann mit ihrer Kamera vor der Bar gewartet und ihren Vater mit seinem Freund beim Verlassen des Etablissements fotografiert. Anhand der Fotos wollte sie herausbekommen, wer der Mann war, mit dem sich ihr Vater vergnügte. Wahrscheinlich ging das schon länger, denn die beiden schienen sich sehr gut zu kennen. Seit diesem Tag hatte Marianne alles versucht, um mehr über diesen Typen herauszukriegen, doch selbst in Fachkreisen und auf den diversen Messen hatte ihr niemand helfen können. Ihre Familie wollte sie da nicht mit hineinziehen und so hatte sie Monate später keinen anderen Ausweg gefunden, als ihrem Vater eines Tages zu folgen, als er mal wieder vorgab, im Osten ein paar Kollegen besuchen zu wollen. Er war schnurstracks zu seinem Freund gefahren und war dort sogar über Nacht geblieben. Durch die erleuchteten Fenster hatte sie ihren Vater in einer innigen Umarmung mit diesem Rüdiger erkennen können und das hatte sie so angewidert, dass sie sich vorgenommen hatte, dagegen etwas zu unternehmen. Es konnte einfach nicht sein, dass sie einen schwulen Vater hatte, der zudem bisher vorgegeben hatte, ein ganz normaler Ehemann und Vater zu sein. Wie konnte sie ihrem geliebten Vater weiterhin unter die Augen treten, ohne ständig an seinen Intimfreund zu denken und an das, was sie miteinander trieben. In den nächsten Wochen hatte sie sich langsam und für die Familie kaum merklich von ihrem Vater distanziert. Durch Adeles Krankheit und die damit verbundenen Änderungen in den Tagesabläufen hatte keiner gemerkt, dass Marianne immer mehr Abstand zu ihrem Vater nahm und auch immer seltener etwas mit der Familie unternommen hatte. Immer öfter war sie zunächst in kleinere Spielcasinos gegangen, um auf andere Gedanken zu kommen. Dort hatte sie auch den einen oder anderen Typen aufgerissen und einige Affären gehabt. Bis sie einen professionellen Spieler kennengelernt hatte, der sie immer öfter nach Baden-Baden in die großen Spielcasinos mitgenommen hatte und davon war sie bis heute nicht
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