Die Messermacher (German Edition)
versicherte die Empfangsdame und rief dann einen Pagen, der die junge Dame auf ihr Zimmer begleiten sollte.
Kaum hatte sich die Türe hinter dem freundlichen Pagen geschlossen, warf sich Nora mit ihrem Smartphone aufs Bett und gab den Namen „Rüdiger Haupt“ und „Messermacher“ ein. Sofort bekam sie einen Treffer und im Nu hatte sie die Adresse von der Werkstatt. Ob der wohl auch dort wohnte? Nora war so aufgeregt, dass sie am liebsten sofort losgefahren wäre, aber mit dem Zug wäre das zwar von hier nach Dresden einfach gewesen, doch vor Ort wollte sie mobil sein. Google Maps hatte ihr gezeigt, dass dieser Rüdiger doch recht weit draußen und ziemlich einsam am Waldrand seine Werkstatt hatte und deshalb lag es auch nahe, dass er auch dort wohnte. Sie musste also morgen früh erst mal zurück nach Hause und sich dort nach einem Auto umschauen, das sie sich leihen konnte. Zu blöd, dass sie noch kein eigenes hatte! Falls Opa immer noch nicht zurück war, würde sie sich einfach sein altes Triumpf-Cabrio ausleihen und damit zu diesem Herrn Haupt fahren. Mit diesem Plan im Kopf schlief die junge Ermittlerin ein, nachdem sie noch zu Hause Bescheid gesagt hatte, dass sie bei einer Schulkameradin übernachten wollte. Sie hatte dann noch ausgiebig gebadet und sich aus der Minibar einen kleinen Sekt genehmigt.
27
Währenddessen war Marianne auf direktem Weg zu Rüdiger Haupt gefahren. Wenn jemand etwas über den Verbleib von Mike wusste, dann der. Doch sie musste aufpassen, dass sie sich nicht verplapperte, denn schließlich dachte Rüdiger, dass er Reno vor sich gehabt hatte. Was sollte sie ihm bloß sagen oder fragen, um herauszufinden, ob Mike erstens überhaupt bei ihm gewesen war und wenn ja, wo er sich jetzt aufhielt? Sollte sie Rüdiger sagen, dass Reno schon wieder verschwunden war? Vielleicht war Reno ja auch bei seinem schwulen Freund untergetaucht – warum auch immer.
Je näher Marianne dem kleinen Wohnort von Rüdiger kam, desto aufgeregter wurde sie. Es waren nur noch ein paar Kilometer und sie hatte immer noch keinen Plan. Sie konnte es ja auch darauf ankommen lassen, was Rüdiger sagen würde, wenn sie plötzlich unangemeldet vor seiner Türe stand. Dann würde sie schon sehen und hoffen, dass sie dann schlagfertig genug war, um das Richtige zu sagen oder die Fragen zu stellen, die ihr weiterhelfen konnten, sie aber nicht belasten würden.
„So mach ich es – eine andere Idee hab ich einfach nicht“, murmelte die angespannte Frau, deren Hände bereits feucht und zittrig waren. Sie musste sich unbedingt vorher noch beruhigen und so beschloss Marianne, sich an der nächsten Tankstelle einen Piccolo-Sekt zu gönnen und einen kleinen Spaziergang zu machen. Das würde sie sicher soweit entspannen, dass sie sich gewappnet sah, diesem Rüdiger entgegen zu treten.
So wurde es bereits dämmrig, als Marianne die letzten Meter zu Rüdigers Anwesen zurückgelegt hatte. Vom Haus her nicht einzusehen, parkte sie in einem schmalen Waldweg und stieg mit klopfendem Herzen aus. Sie wollte zunächst das Haus in gebührendem Abstand umrunden und mit ihrem Fernglas das Anwesen beobachten. Sie musste sicher sein, dass Rüdiger alleine im Haus war. Also schlich sie im Schutz der Dämmerung von Baum zu Baum und schaute in sämtliche Fenster. Bisher war alles totenstill und nirgends etwas zu sehen. Doch gerade, als sich Marianne aufraffte, zum Grundstück hinüber zu gehen und zu klingeln, öffnete sich die Haustüre und Rüdiger kam heraus. Er trug einen blauen Overall und Gummistiefel, was Marianne anlässlich der immer noch hohen Temperaturen doch etwas verwunderte. Kopfschüttelnd lief sie Rüdiger in gebührendem Abstand zunächst außerhalb des Zaunes hinterher, doch am Tor fasste sie sich ein Herz und beschleunigte ihre Schritte. Vielleicht konnte sie das Überraschungsmoment nutzen, wenn sie ihn (bei welcher Tätigkeit auch immer) mit ihrem Erscheinen überrumpelte? Um sich nicht zu früh zu verraten, zog sie ihre Stöckelschuhe aus und huschte dann barfuß hinter dem Langhaarigen her, der zum Ärger von Marianne immer noch verdammt gut aussah! Jetzt hatte er hinter einem Busch eine Schaufel hervorgeholt und verschwand dann zwischen dichtem Gestrüpp. Ob sie es wagen konnte, einfach hinterher zu schleichen? Ihre Neugier war dann allerdings größer als ihre Furcht – sie wollte wissen, was er dort trieb. Während sie weiterstolperte, verfluchte sie ihre Schuhe, die sie in der
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