Die Messermacher (German Edition)
sich mit Nora abzuwechseln. Sie ist zwar noch ein Führerschein-Neuling, aber sie fährt sehr gut“, schmeichelte Marianne ihrer Nichte und Nora hatte das Gefühl, dass ihre Tante sich bei ihr einschmeicheln und „Gut Wetter“ machen wollte. Denn ihre Tante war noch nie bei ihr mitgefahren und die junge Fahranfängerin hatte bisher noch nicht allzu viele Gelegenheiten zum Fahren gehabt. Sie hielt sich aber zurück und lächelte nur. Dennoch traute sie sich zu, mit diesem süßen kleinen Mini zu fahren – sie freute sich sogar darauf.
„Also dann schauen Sie alle mal zu, dass Sie gesund nach Hause kommen und wir melden uns, falls es was Neues gibt oder wir noch Fragen haben. Auf Wiedersehen!“, sagte Herr Wagner und war sichtlich froh, dass er nun wenigstens versuchen konnte, endlich Feierabend zu machen. Seiner Kollegin erteilte er noch den Auftrag, einen Wachtposten hier einzurichten und dann verließen alle das Haus. Sie schlossen hinter sich ab (ein Hausschlüssel hatte innen im Türschloss gesteckt). Den Schlüssel würde dann der wachhabende Beamte ausgehändigt bekommen. Niemand verschwendete einen Gedanken daran, ob der Hausherr überhaupt einen Schlüssel dabei hatte. Falls Herr Haupt keinen bei sich hatte und in sein eigenes Haus einbrechen musste, würden die Wachen es mitbekommen. So wie es aussah, hatte der Verdächtige Hals über Kopf sein Haus verlassen und gar nichts mitnehmen können. Selbst wenn er seine Brieftasche und eventuelle Kreditkarten dabei hatte, würde man die gleich morgen früh als erstes sperren lassen. Und ohne Geld, Kreditkarten oder Ausweis kam er nicht weit und über die Grenze konnte er auch nicht, denn es würde demnächst eine Fahndung nach ihm anlaufen. Die Beamten waren sich ganz sicher, dass ihnen Herr Haupt bald ins Netz gehen würde.
Während Marianne zu ihrem Porsche ging, wollte Nora in der Garage nach einem Strick oder ähnlichem suchen, den sie als Hundeleine benutzen konnte. Das Tor war aber leider verschlossen und so versuchte sie es an der Hintertüre, während Joska den Schäferhund am Halsband festhielt. Inzwischen wusste er, dass es sich bei diesem Schäferhund tatsächlich um Moritz handelte und er fragte sich, wie der Hund hier her kam. Es war gar nicht so einfach, den Hund in Schach zu halten, denn der zerrte ständig in Richtung Wald. Wahrscheinlich wollte er endlich einen Spaziergang machen, was in Joska schon wieder die Frage aufwarf, warum dieser Hund überhaupt hier war. Darüber hatten sie in der ganzen Aufregung gar nicht mehr nachgedacht. Reno Angerer musste doch hier gewesen sein – wie sollte sein Hund sonst hier her gekommen sein? Gerade wollte Joska Nora diesbezüglich fragen, als aus der Garage ein Aufschrei zu hören war.
„Joska! Komm rein und sieh dir das an!“, rief Nora und anhand der aufgeregten Stimme ließ er gedankenverloren den Hund los und stürmte in die Garage.
„Was ist los?“, fragte er und schaute sich gehetzt um.
„Da steht das Auto von meinem Opa!“, flüsterte Nora beinahe und musste sich dabei an Joska lehnen, weil sie plötzlich weiche Knie bekommen hatte. Erst der Moritz und jetzt noch das Auto und angeblich war Reno nicht hier gewesen! Dieser Rüdiger log doch wie gedruckt! Opa war hier, doch wo war er jetzt und warum hatte Rüdiger sie angelogen? Ob Marianne mehr darüber wusste? Doch die war bereits abgefahren. Ob sie sie zurückrufen sollte? Nora war hin und hergerissen, doch Joska holte sie mit seinem Aufschrei zurück aus ihren Überlegungen:
„Mist! Ich hab den Hund losgelassen!“
Joska schaute Nora schuldbewusst an und auch seine Gedanken rasten immer wieder im Kreis. Was war hier los und wo war der alte Angerer. Doch weiter kam er mit seinen Schlussfolgerungen nicht, denn plötzlich hörten sie Hundegebell.
„Das ist Moritz! Wo ist der denn hin und warum bellt er so?“, fragte sich Nora, während sie sich schon in Bewegung setzte und dem Gebell in Richtung Waldrand folgte. Joska schnappte sich geistesgegenwärtig eine große schwarze Taschenlampe, denn inzwischen war es schon recht dunkel geworden, und hetzte hinterher. Doch plötzlich blieb Nora ruckartig stehen, sodass Joska voll in sie hineinlief. Beinahe wären beide in die dichten Dornenbüsche gefallen.
„Mensch Joska! Pass doch auf! Moritz muss da irgendwo sein“, presste Nora atemlos und aufgeregt hervor. Denn dass Moritz so langanhaltend und fast schon hysterisch bellte, hatte sie noch nie erlebt.
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