Die Messermacher (German Edition)
meinen Großvater“, sagte Nora nur.
„Und Sie, meine Dame?“, fragte er und zeigte mit strengem Gesichtsausdruck auf Marianne. Die überlegte nur kurz und antwortete dann ebenso wortkarg:
„Ich suche meinen Vater.“
Dass sie einen Ring ihres Vaters, den der nur selten trug, in der Gefriertruhe gefunden hatte, behielt sie lieber für sich. Denn es war der Ring, den sie ihrem Vater stibitzt und Mike gegeben hatte, damit Rüdiger keinen Verdacht schöpfte. Sie wusste nun, dass Mike hier bei Rüdiger gewesen war und sie wollte sich gar nicht ausmalen, wie der Ring hier in die Truhe gekommen war! Marianne wusste, dass sie Rüdiger mit diesem Fund sehr belasten konnte, doch dann hätte sie zugeben müssen, mit Mike etwas zu tun zu haben und das wollte sie unbedingt verhindern. Also war sie trotz gefesselter Hände in die Truhe geklettert und hatte den Ring unter größten Mühen zu fassen bekommen. Erst als Nora sie von ihren Fesseln befreit hatte, hatte sie den Ring unbemerkt in ihre Hosentasche gesteckt und da befand er sich immer noch. Sie würde ihn zu Hause einfach wieder in Renos Nachttisch legen und niemand würde davon erfahren.
„Aha“, murmelte Herr Wagner und fügte hinzu: „Ich nehme mal an, dass das derselbe ist, oder?“
Die beiden nickten nur und Herr Wagner fragte weiter:
„Und Sie, mein Herr? Was hatten Sie hier zu suchen? Vielleicht ihren Onkel?“
„Nein, Herr Wagner. Ich bin ein Kollege – Kiss. Joska Kiss ist mein Name, aber ich bin nicht als Polizist hier.“ Damit zückte er seinen Dienstausweis und zeigte ihn den Beamten, die ihn genauestens studierten.
„Wie kommt ein Schwabe in unseren Bezirk?“, fragte die Frau, deren Name ebenfalls auf der Uniform stand: Michaela Donderer.
„Aber Frau Donderer!“, schimpfte Herr Wagner. „Herr Kiss erwähnte doch bereits, dass er nicht dienstlich hier ist. Warum waren Sie also hier in diesem Haus?“
„Ich bin meiner Freundin aus Eifersucht gefolgt.“
Mit diesen Worten legte er Nora besitzergreifend den Arm um die Schulter und zog sie zu sich heran. Nora versteifte sich unmerklich, denn sie musste Joskas Spiel mitspielen, alles andere war zu riskant. So oder so war die ganze Sache derart kompliziert, dass sie sich vornahm, so wenig wie möglich zu sagen. Auch Marianne schien sich das vorgenommen zu haben, denn sie fragte gerade:
„Sind wir in irgendeiner Weise verdächtig? Falls ja, würde ich gerne mit meinem Anwalt sprechen!“
„Ob Sie verdächtig sind oder nicht, kann ich momentan noch nicht beurteilen, gnädige Frau. Dazu weiß ich noch zu wenig und ich bitte Sie alle, mich jetzt endlich mal aufzuklären“, beschied Herr Wagner und wartete auf eine Antwort. Doch keiner der Anwesenden wollte anfangen.
„Also was ist nun? Warum suchen Sie Ihren Vater und Großvater? Das mit der Eifersucht lassen wir mal so stehen, das muss ich Ihnen zum gegenwärtigen Zeitpunkt einfach glauben.“
„Mein Vater ist seit ein paar Tagen verschwunden und der Mann, der hier wohnt, war auf der Beerdigung meiner Mutter und ich dachte, der weiß vielleicht etwas über den Verbleib meines Vaters“, versuchte Marianne zu erklären und Nora griff diese Geschichte sofort auf.
„Genau das gleiche hab ich mir auch gedacht und wir zwei sind anscheinend unabhängig voneinander auf dieselbe Idee gekommen. Zufälle gibt`s!“, rief Nora etwas zu laut, was aber nur Joska merkte. Er glaubte ihr kein Wort, doch Herr Wagner schien mit der Antwort zunächst zufrieden zu sein.
„In welcher Beziehung steht denn Herr Haupt, so heißt der Hauseigentümer, eigentlich zu ihrem Vater?“, wollte der Beamte wissen, während seine Kollegin eifrig alles mitschrieb.
Marianne und Nora wechselten bei dem Wort „Beziehung“ einen kurzen Blick, der jedoch weder von Joska, noch von den beiden Polizisten gedeutet werden konnte. Selbst Marianne war erstaunt, dass Nora sie bei dieser Frage so komisch angeschaut hatte. Wusste das Mädchen etwa Bescheid über die sexuellen Vorlieben ihres Großvaters? Das wäre ja eine Katastrophe! Wo sie ihren Opa doch so vergötterte – wie sollte sie mit dieser Erkenntnis klarkommen? Oder sahen die jungen Menschen dieses Anderssein als ganz normal an? Bevor Nora jedoch irgendetwas Unüberlegtes sagen konnte, ergriff Marianne das Wort und erklärte wahrheitsgemäß:
„Herr Haupt ist ein Kollege unserer Messer-Manufaktur und ein langjähriger guter Bekannter meines Vaters. Wir dachten, dass
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