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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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mit der Bank an. Aber die Indianer waren ruhige Gemüter, ihre einzige Beschäftigung bestand darin, wie die Fledermäuse in der blauen Luft zu hängen.
    Der Winter nahte. Die Nächte wurden immer länger. Das soziale Leben der Wilden wurde immer intensiver. Die Kälte machte sie müde, und sie schliefen gerne mitten bei ihren Lieblingsbeschäftigungen ein. Man lebte praktisch in der Nacht, unter dem klaren und eisigen Herbsthimmel, in dem die Sterne prangten, deren Anordnungen allen bekannt waren und die sie in den ‹kleinen Wiegen›, die sie aus Zwirn woben, wiedergeben konnten. Es war die Jahreszeit der Liebe. Die indianischen Frauen waren tonangebend: herrlich anzusehen mit ihren Perlenketten, die sie manchmal hundertfach um den Hals gewickelt trugen, das Haar anständig gebürstet, um die Augen eine schwarze Maske aus auf die Haut gemalter Spitze, die Lippen auf Hochglanz gebracht. Alles war Verführung, ein einheitliches Feld der Leidenschaft und Bündelung. Es wurde allmählich immer schwerer, irgendetwas klar zu unterscheiden.

Die großen Echsen, die mit ihren Siestas den Sommer bevölkert hatten, gingen auf Wanderschaft, nachdem sie das Moos der Steine mit ihren Eiern bedeckt hatten. Einige, die leichteren unter ihnen, entfalteten ihre Flügel und flogen davon. Die anderen aber waren schwer, groß wie Leguane und gebadet in grünem Schweiß, sie liefen ziemlich schnell Richtung Norden, um sich auf den ‹Travesias› im Norden der Provinz zu sonnen. Sie würden nicht zurückkehren.
    Eines Tages kündigten ein paar graue Vögel mit Gesang und wirren Flügen den ersten Schneefall an. Am folgenden Morgen blickten sie auf weiße Wiesen und Waldwipfel, der Himmel wie nasses Papier und die herrliche Stille überall. Die Karren hinterließen schwarze Spuren auf der Straße. Die Kinder bauten Schneemänner und liefen kreischend umher, verrückt vor lauter Glück. Die Landschaft änderte vollständig ihren Charakter. Das Weiß ließ die Frauen noch dunkler aufschimmern. Die rot und schwarz bemalten Jäger nahmen sich winzig aus in den reglosen Panoramen. Und das Blau der Soldatenuniformen flimmerte im Schnee, als bewege es sich zwischen dem allzu Sichtbaren und dem Unsichtbaren hin und her.
    Selbstverständlich wurden die Menschen bei der versonnenen Betrachtung der Schneefälle immer untätiger. Im tiefen Wald zündete man Feuer an, um einer Gruppe junger Leute Schutz zu bieten, die Würfel spielten oder den Vögeln lauschten oder sich verzehrten. Der Gesang der Kardinäle ging ein in die Zungen des immer schärfer wehenden Windes und flog zum Horizont; in der Nacht vernahm man den verstohlenen Ruf der Fischotter, und die Pferde starrten gebannt auf die Kaninchen mit ihren allzu flinken Kapriolen und versuchten, sie zu zählen.
    Eine Heidelerche hüpfte von dem mit Reif überzogenen Zaun und flatterte schwerfällig zum Vordach. Als sie vorbeiflog, knisterten die Blätter und brachen ab, hart wie Glas; die Kälte hatte alles, was normalerweise weich war, starr werden lassen, selbst ihre Zunge. Sie stieß zwei lange, unartikulierte Töne aus, und dann versuchte sie einen Triller, der in ein paar sehr kurzen Tönen und einem Niesen endete. Ihre Kehle war wie Eis. Das Klima war nicht geschaffen für eine Sängerin. Die Hütte strahlte eine andere Aura aus als die Bäume. Die Heidelerche brauchte Verzwicktes, um zu überleben. Sie schüttelte die Flügel, um sie von den Eiskristallen zu befreien, die sich in ihren Federn eingenistet hatten.
    Erna hörte die Töne und lüpfte eine der weißen Papierblenden, um nachzusehen. Sie hatte auf einer der Matten gelegen und gedöst, unter Decken. Gombo war im Morgengrauen aufgebrochen, und sie hatte sich nach dem Frühstück wieder hingelegt. Die Schwangerschaft machte sie wie benommen, so dass sie fast den ganzen Tag vor sich hin döste. In der Wiege, unter einem Federbettchen, lag Francisco und schlief. Wenn er im Bett lag, konnte er durch die Öffnung den Himmel sehen. Ein glänzendes Grau, völlig makellos.
    Es musste noch früh sein. Es würde sicher wieder schneien. Vielleicht würde die Heidelerche sich entschließen hereinzukommen.
    Sie war halb eingeschlafen, als sie das Kind wimmern hörte. Eine leichte Brise, eine Seltenheit in diesen Schneetagen, ließ das Papier am Fenster erzittern, und dann wurde alles wieder still.
    Als Francisco nach einer Weile aufgewacht war und auf der Suche nach seinen Murmeln durchs ganze Zimmer krabbelte, stand Erna auf, um ihm das

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