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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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Nacht das Quartier nicht verlassen, werde dies aber gleich am nächsten Morgen tun. Sie nahm an, er habe nach dem, was geschehen war, einen Extrasold erhalten und werde im Fort bleiben, um ihn zu verspielen.
    Als sie nichts Neues mehr zu sagen fanden, gingen sie auseinander. Bekannte luden sie ein, mit ihnen im Wald zu zelten, und sie nahm an, denn der Tag mit seiner matten, zwischen grauen Wolken steckenden Sonne und der erwartungsvollen Luft war wie geschaffen, ein bisschen rauszukommen. Sie machten sich im Treck auf die Suche nach irgendeiner einsam gelegenen Lichtung, sie auf der Kruppe eines großen Falben, den Jungen auf den Rücken gebunden. Drei oder vier Stunden lang folgten sie kalten, in grünliches Licht gehüllten Pfaden. Schließlich stiegen sie irgendwo ab, machten ein Feuer, badeten und begannen, Würfel zu spielen und zu rauchen. Sie brieten Geflügel und tranken, bis sie einschliefen; als die Sonne unterging, weckte sie der Lärm eines Kampfes zwischen Schneegänsen. Sie gingen wieder baden, stiegen aus dem Wasser, um Waldschnepfen und Ferkel fürs Abendessen zu jagen, und es wurde Nacht – die Tage waren schon nicht mehr lang. Sie tranken und rauchten bis zum Morgengrauen und schliefen einer nach dem anderen ein.
    Sie kehrten in der Dämmerung zurück. Erna ging in ihre Hütte. Nachdem sie Francisco ins Bett gebracht hatte, machte sie Kaffee, dessen Duft eine Nachbarin anlockte. Sie stellten weitere Mutmaßungen über die Ereignisse des Vortags an. Erna erkundigte sich nach ihrem Mann.
    «Gestern Nacht durfte niemand raus. Man sagt, der Oberst habe sie in den Druckereien arbeiten lassen.»
    Kurze Zeit später langweilten sie sich und gingen in den Garten, wo der Regen endlich die Anemonen zum Blühen gebracht hatte, alle in Rot und Blau.
    Mittags tauchte Gombo auf, benommen von Müdigkeit, mit schwarzen Augenringen. Er legte sich sofort hin, und sie plauderten miteinander, während Erna ihm etwas zu rauchen brachte.
    «Stimmt es, dass der Oberst euch in den Druckereien arbeiten lässt?»
    Gombo stieß ein heiseres Lachen aus.
    «Absurd. Für diese Maschinen braucht es keine Arbeiter.»
    «Was für eine Erklärung hat man euch gegeben?»
    «Keine. Warum sollten sie etwas erklären?»
    «Im Dorf stellen alle so ihre Vermutungen an.»
    «Es ist nun mal so, dass die Sache die Phantasie anheizt.»
    «Was für einen Zweck hat Espina denn verfolgt?»
    «Espina ist nicht der Herrgott, und er ist nicht so dumm, ihn über die reine Form hinaus nachzuahmen. Er hat den Anfang gemacht, indem er Geld geschaffen hat. Jetzt sind die Dinge an der Reihe, mit denen es erst nutzbar wird. Aber er hält sich da raus. Der zweite Schritt geht ihn nichts mehr an. Er will nur die Zirkulation perfektionieren.»
    «Dann ist ihm ja der Angriff sehr zupass gekommen.»
    «Es hat gar keinen Angriff gegeben. Das war eine Täuschung, die er letztens mit Cafuls Neffen vorbereitet hat.» Erna wurde nachdenklich. Sie brachte den Nachmittag damit zu, sich mit dem Jungen im Garten zu sonnen, und als Gombo in der Nacht aufwachte, erfahr sie noch etwas: Im Gegenzug zu der «finanziellen Lösung» hatten die Indianer versprochen, ihm als Geschenk hundert Fasane zu schicken, seine Leib- und Magenspeise.
    Und so geschah es. Am nächsten Tag kehrte der Karren zurück, umgebaut in einen großen Käfig aus Rohrgeflecht, in verschiedene Etagen und Fächer unterteilt, und darin die hundert fetten und bunten Fasane. Das ganze Dorf lief herbei, um sie ins Fort fahren zu sehen, wo die Offiziere und ihre cocottes sich bei einigen Abendessen daran gütlich tun würden.
     
     
    Es vergingen ein paar Wochen, und die Zahlung schlug sich nicht in einer sofortigen Veränderung nieder, das heißt, sie schlug sich einfach nicht nieder; denn an der Grenze machte die geringste Verzögerung jedwede Neuerung zunichte und verwandelte sie in eine ewige Wiederkehr. Anscheinend gab es noch weitere Geldübergaben an andere Stämme, die im Schutz der Dunkelheit durchgeführt wurden; aber niemand, nicht einmal die Wachsoldaten, konnten das sicher bestätigen. Wenn es Nacht wurde, glaubten alle, mit Geld voll geladene Karren still und leise im Wald verschwinden zu sehen. Die Heimlichtuerei, das Geheimnis, schuf eine Gerüchteküchenatmosphäre, der sich keiner entziehen konnte.
    So wie eine Leere alles anziehen kann, was sich in ihrem Umkreis befindet, dachte Espina, so kann ein allzu voller Raum jede beliebige Person zu einer bestimmten anderen hin ausstoßen, alles

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