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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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Wertvolle oder den Wert selbst.
    Die Leere ist die Natur.
    Aber wie kann man die Welt mit einem Übermaß füllen? Das «Volle» ist definitionsgemäß nie «zu» voll.
    Espinas Antwort war das Geld und seine Mengen. Tatsächlich kann nichts im Übermaß ausgefüllt werden, was aber nur gilt, wenn es sich um konkrete Dinge handelt. Der Überschuss ist ein Epiphänomen des Geldes, und es ist fragwürdig, ob es einen Überschuss geben kann, wenn es keine immensen und unermesslichen Geldsummen gibt.
    So sahen die Gedankengänge des rätselhaften Gelddruckers aus. Die Ergebnisse des Manövers waren subjektiv. Plötzlich wurden diese fernen und geradezu mythischen Indianer, die Untertanen von Catriel, von Cafulcurá, die tributpflichtigen Diener des Herrschers Pincén, Teil des täglichen Imaginären der Leute, denn jetzt zirkulierten die Geldscheine (zumindest glaubten sie das) und vereinten sie. Zum ersten Mal spürten sie, dass der Hototogisu, der japanische Kuckuck, der in der Nacht sang, mit seinem an die Finanzmanöver gemahnenden Gesang den Traum aller heraufbeschwor. Espina forderte für Pringles einen Platz an der Sonne (oder auf dem Mond). Der fabelhafte Sonnenaufgang brachte den überfüllten Raum zum Kreisen, zerrieb ihn und legte den goldenen Tropfen in das Hirn seiner Erfindungen. Das ausgedehnte Indianerimperium sollte sich wieder in etwas mit der Kunst der Deutung Gleichbedeutendes verwandeln; selbst für das unbedarfteste Dichtertalent wurde die Anschauung der Unermesslichkeit umgewandelt in die Idee der Menschheit als Gattung, die Weihrauch vor buntem, mit Zahlen voll gedrucktem Papier verbrannte. Denn die Bedeutung der Zahlen überstieg die des Menschlichen.
    Bald schwamm das Dorf im Geld. Der Soldatensold hatte sich verhundertfacht. Espina sorgte mit seiner Indianergeldsammlung für die Finanzdeckung seiner Druckerpresse, die Indianer setzten seine Geldscheine jenseits aller Deckung ein, im Absoluten.
    Sollte es wahr sein, dass der Oberst Millionen und Abermillionen von dem neuen Geld nach England schickte? Unmöglich war es nicht. Falls er von Anfang an im Sinn gehabt hatte, das Reich der Wilden als ein Territorium anzusehen, das frei von allen Grenzen war (und wie seine Umgangsformen bewiesen, stellte nicht einmal seine Grausamkeit ein Hindernis dar), dann konnte ein so fernes Archipel wie Großbritannien sehr wohl daran teilhaben. Fürs Erste ließ er das Konterfei der Königin nebst seinem eigenen auf seine Pfundnoten drucken.
    Aber im Fort und im Dorf ging das Leben weiter wie bisher. Die Tage waren lange Erzadern des Müßiggangs und des Zeitvertreibs und die Personen wurden als Teil der Tage und ihrer atmosphärischen Schönheit angesehen, die Angel aus Timbaholz hatte immer noch ihre Wirkung auf die Fische, ebenso die Pfeile auf die Enten, das Klackern der Würfel auf dem Spielbrett klang wie immer, und wenn es abends dunkel wurde, blieben die Körper der Schwimmer weiterhin über Wasser.
    Es gab immer mehr Indianergesandtschaften. Offenbar hatten sie mit dem Kommandanten viel zu bereden.
    Obwohl die breite Allgemeinheit sie kaum vorbeifahren und das Fort betreten sah, in dem die Konferenzen abgehalten wurden, kam sie doch nicht umhin, den Reichtum und die Pracht des Gefolges zu bestaunen. Sie hatten geglaubt, die Eitelkeit berge für sie schon keine Geheimnisse mehr, aber jetzt stellten sie fest, dass sie sich geirrt hatten. Was sie sahen, wäre ihnen nicht einmal im Traum eingefallen. Die Geldscheine des Kommandanten waren bei ihren fernen Empfängern angekommen, und nun begannen die Antworten einzutrudeln, die, da es sich um Geld handelte, nur luxuriöse Antworten und unbegrenzte Möglichkeiten sein konnten, die vollständige Realität, der Schatz der Armen.
    Mit der Zeit wurden die Botschaften immer zahlreicher. Die Gefolge beschlossen, das Fort nicht zu betreten, und erwarteten die Herrschaften auf den Wiesen über dem Nebenfluss, unter den Bäumen. Das ganze Dorf lief herbei, dazu kam noch der Haufen friedlicher Indianer, und die Begegnung mit den Fremden zog sich manchmal Tage hin. Es wurde getrunken und geraucht, und die Zeit schien völlig verzaubert. Es waren Augenblicke des Lernens, Schauens und Nachahmens. Anfangs kam ihnen das so künstlich vor, dass sie nicht glaubten, jemals den Mut aufzubringen, das Ganze zu wiederholen. Aber das Neue erfasste sie wie eine unwiderstehliche Woge.
    Häufig kamen zwei Gefolgschaften aus verschiedenen Gegenden auf einmal an, oder drei oder mehr. In

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