Die Meute
Mülleimer.
Der Schnitt war sauber, nur wenig Blut träufelte in das Spülbecken. Larry war nur leicht irritiert, als der Kopf nach hinten fiel, als sich die braunen Augen öffneten und ihn glasig anstarrten.
Diane schlief nicht in dieser Nacht, kümmerte sich erst um die Kinder, dann um Larry und schließlich um die beiden alten Frauen.
Joshs Arm war geschwollen. Die Stelle, wo der Hund ihn gebissen hatte, hatte sich gelbbraun verfärbt. Josh schien trotz allem guter Dinge zu sein, und als Diane die Wunde versorgt und verbunden hatte, weinte er auch nicht mehr.
Larry steckte den Hundekopf in einen Plastiksack, drehte das Ende zu, schob den Plastiksack in eine braune Packpapiertüte und verstaute sie dann im Kühlschrank. Wahrscheinlich war es egal, wo er den Kopf aufbewahrte, aber wenn er ihn möglichst frisch hielt, konnte das sicher nicht schaden.
Was er mit dem Kadaver anfangen sollte, bereitete ihm zunächst Kopfzerbrechen, doch fand er bald eine Lösung. Er würde dem Schäferhund eine Lehre erteilen. Allmählich freute er sich sogar auf die unvermeidliche Konfrontation mit ihm. Er lächelte grimmig, als er wieder auf den Dachboden stieg.
Die dunklen Wolken hingen schwer und tief über dem Festland. In der Morgendämmerung hatte der Rover den Hafen erreicht.
»Seht euch das verdammte Wasser an«, sagte Hirschfeld. Es war Flut. Meterhohe Wellen schlugen gegen die Kaimauer und sprühten Gischtwolken in die Luft. Die wenigen Fischerboote, die hier festgemacht waren, tanzten wie Gummibälle auf dem Wasser.
»Ja, nicht gerade Segelwetter«, gab Kenny zu.
»So können wir da nicht rüber«, erklärte Hirschfeld kategorisch.
Kenny achtete nicht auf ihn. Er war auf einer Insel aufgewachsen und kannte sich aus mit Booten. Das Wasser war rauher, als er gedacht hatte, aber es würde gehen. »Wir werden sehen.«
Sie stapften durch den Nebel zu ,Tonys Fischernetz’, einer kleinen Kneipe am Rand des Hafens. In einer Ecke saßen ein paar Fischer zusammen. Kenny ging zu ihnen hinüber.
Einer von ihnen erzählte umständlich eine Geschichte von einem Kutterbesitzer, der ein Echolot in sein Boot hatte einbauen wollen. Von Kenny nahm niemand Notiz. Er wußte, daß dies zur Tradition gehörte. So behandelten sie jeden Neuankömmling. Er wartete geduldig. Schließlich hatte der Mann seine Geschichte beendet, lehnte sich zurück, genoß das Gelächter der anderen, trank seinen Kaffee aus. Endlich wandte er sich Kenny zu. »Sohn?«
»Ich hab ein Problem«, sagte Kenny ohne Umschweife. »Ich muß nach Burrows Island hinüber.«
»Da hast du allerdings ein kleines Problem«, sagte einer der jüngeren Fischer und sah sich beifallheischend in der Runde um.
»Ich zahle«, sagte Kenny.
Der Mann, der die Geschichte erzählt hatte, antwortete nicht gleich. »Sohn«, sagte er dann, »kannst du ein neues Boot bezahlen? Denn so viel könnte es kosten. Drüben bei der Insel, da ist es seicht. Und bei dem Seegang heute sitzt du auf Grund, bevor du ,hallo’ gesagt hast.« »Ich muß hinüber«, beharrte Kenny. »Ich zahle gut.« »Na, dann viel Glück«, antwortete der Mann und drehte sich wieder um.
Kenny ging zu Pledge und Hirschfeld zurück. »Sie wollen sich’s überlegen«, log er. Hinter ihm sagte der Mann, der die Geschichte erzählt hatte, etwas, das die anderen mit lautem Gelächter quittierten.
Von der Treppe kam ein Geräusch. Frieda Hardman ging zur Tür und spähte hinaus. Larry kam rückwärts die Stufen herauf und schleppte etwas Schweres hinter sich her. Am Ende der Treppe hielt er kurz an, um dann seine seltsame Last den Flur entlangzuschleifen.
Jetzt sah sie es genauer – ein Bettuch mit etwas Schwerem darin. Frieda wußte sofort, was es war – der Hund, der ihren Sohn angegriffen hatte. Als Larry an ihrem Zimmer vorbeikam, schloß sie für einen Augenblick die Tür. Dann spähte sie wieder hinaus. Am Fuß der Leiter nahm Larry die Last auf die Schulter und stieg langsam damit zum Dachboden hinauf.
Er beugte sich aus dem Dachbodenfenster und beobachtete die Meute. Die kalte Luft tat ihm gut. Er stellte sich auf den Sims. So konnte er besser sehen. Das Telefonkabel. Es ging direkt über das Auto hinweg. Der Punkt, wo es am tiefsten durchhing, schien sogar fast genau über dem Wagen zu sein. Der Abstand zum schneebedeckten Dach des Chevys betrug keine zwei Meter.
Am Haus war das Kabel an Haken befestigt, etwa sechs Meter über dem Boden. Irgendwie mußte er ausprobieren, wieviel diese Befestigungen
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