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Die Meute

Die Meute

Titel: Die Meute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Fisher
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mit denen Larrys verglichen wurden. Larry war verläßlich, Kenny nicht. Aus diesen Verschiedenheiten hatte sich Animosität, vielleicht sogar Haß entwickelt. Aber sosehr sie sich auch bemüht hatte, sie hatte ihre Kinder niemals ändern können.
    »Sie waren schon immer sehr verschieden«, antwortete sie nur und ließ keinen Zweifel daran, daß sie nicht mehr darüber zu sprechen wünschte.
    Diane starrte auf ihre schlanken Finger. Einer der Nägel hatte einen Sprung, ein zweiter war sogar gebrochen. Man würde ihn sorgfältig zurechtfeilen müssen. Sobald sie zurück waren. Sobald sie Zeit dafür hatte. Vielleicht.
    Frieda Hardman war zum Fenster gegangen und schaute zu den Hunden hinaus. Thomas hatte Hunde geliebt. Sie sind klug, hatte er immer gesagt. Sie wissen, was ein Mensch denkt.
    Das Telefonkabel war überraschend dick, gummiisoliert und mit mehreren Metallhaken solide am Haus befestigt. Obgleich es keine Möglichkeit gab, seine Tragkraft genau zu bestimmen, glaubte Larry, daß es ihn tragen würde.
    Die Entfernung zum nächsten Mast betrug ungefähr achtzig Meter – bis zum Auto, schätzte Larry, etwa die Hälfte. Natürlich waren alle diese Überlegungen vorerst noch hypothetisch. Voraussetzung war, daß er das trotz allem nicht ungefährliche Wagnis auf sich nahm. Doch das würde nicht nötig sein. Kenny mußte jeden Augenblick kommen. Schimpfend und fluchend würde er anbrausen, in die Luft schießen und sich köstlich dabei amüsieren.
    Er aber würde wissen, daß er sich und die Seinen aus eigener Kraft hätte retten können, wenn es nötig gewesen wäre, dachte Larry. Und das war wichtig.
    Der Rückweg zum Fenster war einfacher, als er gedacht hatte. Die Schindeln waren gelockert, der Schnee zum Teil beiseite geschoben. Er würde gleich wieder beim Fenster sein.
    Es passierte ganz plötzlich, und es war auch nicht ganz seine Schuld. Noch knapp zwei Meter vom Fenster entfernt hob er mit der linken Hand eine Schindel hoch, ließ mit der rechten los – und rutschte mit der nassen Hand ab. Verzweifelt stemmte er die Füße in den Schnee – vergebens.
    Langsam und hilflos rutschte er ab. Diane – war das das Ende? Plötzlich fanden seine Füße Halt. Die Dachrinne. Knirschend lockerte sie sich unter seinem Gewicht. Aber sie hielt.
    Wie erstarrt verharrte er und wagte zuerst nicht zu atmen. Trotz der Kälte trat ihm der Schweiß auf die Stirn.
    Er versuchte, den Kopf zu heben. Knackend lockerte sich die Dachrinne noch ein wenig mehr. Wenn sie sich löste, dann fiel er. Mitten unter die Hunde.
    Wieder sah er nach oben. Von seinen Fingerspitzen bis zum offenen Fenster waren es nur ein paar Handbreit. Gelang es ihm, sich kräftig abzustoßen, dann konnte er es erreichen.
    Wieder gab die Dachrinne ein wenig nach.
    Vergebens suchte er mit den Händen Halt zu finden. Ihm blieb keine Wahl. Er mußte das Risiko eingehen und sich von der Dachrinne abstoßen. Er wußte, es würde gehen.
    Er wußte, daß es nicht gehen würde. Was war die Alternative? Diane rufen? Sich von ihr hinaufziehen lassen? Selbst das war vielleicht nicht möglich. Der Gedanke, Diane zur Zeugin seines erneuten Scheiterns zu machen, war unerträglich.
    Wo zum Teufel blieb Kenny? Warum war er nicht längst schon da?
    Er hielt den Atem an. Zehn. Neun. Er fing an zu zählen, konzentrierte sich. Sechs. Fünf. Er würde ein wenig in die Knie gehen und sich dann abstoßen. Zwei. Eins.
    Jetzt. Krachend riß die Dachrinne aus ihrer Befestigung, hielt aber gerade noch lange genug. Buchstäblich mit den Fingerspitzen bekam er das Fensterbrett zu fassen, zog das linke Bein nach. Zerrte sich hoch. Fiel hart auf den Dachboden.
    Diane kam atemlos die Leiter herauf. Doch er war schon in Sicherheit. Sie würden ihn nicht bekommen. Diesmal nicht.
    Aufgeregt hatte Frieda die Geräusche von oben gehört und sich erst beruhigt, als sie die Stimmen der beiden vernahm. Das ganze Haus erschien ihr größer und kälter. Thomas war nicht mehr da.
    Das Halsband des getöteten Stöberhunds, das Larry gelöst hatte, bevor er den Kopf abschnitt, fiel ihr ins Auge. Mit den Fingern rieb sie den Rost der Plakette ab. »Mein Name ist Dolly«, las sie, »und ich gehöre der Familie Longsam. Wenn ich verlorengehe, rufen Sie bitte 55-3909.«
    Wenn ich verlorengehe, las sie wieder. Tränen traten ihr in die Augen.
     
    11.
     
    »Ich habe noch einmal die Polizei angerufen«, sagte Diane. »Der Mann meinte, sie kämen morgen. »
    Larry zog sich das nasse Hemd aus und warf es

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