Die Meute
aushielten. Waren sie nicht solide genug für sein Gewicht, dann mußte er einen Weg finden, sie zu verstärken. Eine Möglichkeit; herauszubekommen, wie gut das andere Ende des Kabels mit dem hölzernen Mast verbunden war, hatte er allerdings nicht.
Direkt unter ihm lagen die Nahrungsmittel, die die Meute verschmäht hatte, über den Boden verstreut. In der Nähe der Küchentür wölbte sich der Schnee über den Kadaver der Airedale-Hündin. Unter einem kleinen Hügel jenseits des Grabens lag die erschossene Schäferhündin. Die hungrigen Hunde hatten die beiden nicht angerührt.
Larry hatte sich entschlossen, die Hunde mit dem dritten Kadaver abzulenken, um ungestört die Festigkeit des Telefonkabels untersuchen zu können.
Er stieg auf den Boden zurück, packte den Hund bei den Vorderbeinen und legte ihn auf das Fensterbrett. Dann hob er ihn hoch und stieß ihn, so fest er konnte, hinaus. Er streifte das Dach der Veranda, ehe er mit dumpfem Geräusch in den Schnee schlug. Zum erstenmal seit dem Beginn der Belagerung löste sich die feste Ordnung der Hunde auf. Sie drängten sich um den kopflosen Körper, schnüffelten daran, berührten ihn mit den Schnauzen. Einzelne Winsellaute bestätigten Larry, wie betroffen sie waren. Ein wenig mehr von seiner Schuld war zurückgezahlt. Aber das war nur der Anfang. Er würde es ihnen zeigen. In diesem Kampf stand nicht Mensch gegen Hund, sagte er sich, sondern menschliche gegen tierische Intelligenz. Und damit hatten sie gegen ihn keine Chance.
Jetzt war der Augenblick da. Vom Fenstersims aus stieg Larry mit einem Fuß auf das schneebedeckte Verandadach. Er rutschte. Noch einmal versuchte er es – mit demselben Ergebnis.
Er kletterte in den Dachboden zurück, zog Schuhe und Socken aus und rollte die Hosenbeine hoch. Dann kletterte er wieder aufs Dach hinaus. Mit bloßen Sohlen hatte er viel besseren Halt auf den hölzernen Schindeln. Seine Füße schmerzten, doch er bemerkte es kaum.
Das Dach war nicht ganz so stark geneigt, wie er geglaubt hatte. Vorsichtig ließ er sich auf den Bauch nieder, mit einer Hand immer noch an das Fensterbrett geklammert. Jetzt brauchte er einen anderen Halt. Ja, das war es. Er zog den Hammer aus dem Gürtel und stemmte mit dem Nagelzieher eine der Schindeln hoch. Wenn er unter die Schindel griff, konnte er sich am Dachsparren festhalten.
Die Entfernung betrug etwa fünf Meter. Stück für Stück arbeitete er sich hinüber.
Frieda Hardman kam in die Küche, wo Diane saß und an die Sicherheit ihres New Yorker Apartments dachte. »Tut mir leid, Diane«, begann sie etwas verlegen und fühlte sich wie ein Eindringling in ihrer eigenen Küche. »Aber ich hielt es dort oben einfach nicht mehr aus.«
»Aber nein, nein«, sagte Diane. »Setzen Sie sich doch bitte. Es ist Kaffee da. Larry hat ihn gemacht.«
»Nein, danke. Ich glaube, ich möchte jetzt keinen.«
Sie hatte tiefe Schatten unter den Augen. Offenbar hatte sie geweint. Irgend etwas mußte Diane jetzt sagen. »Mrs. Hardman«, begann sie. Wie seltsam, wie furchtbar förmlich das klang. »Es tut mir so leid. Ich kann nur...« Sie machte eine hilflose Geste, wußte nicht, wie sie fortfahren sollte.
»Aber ich bitte Sie«, sagte Frieda und versuchte zu lächeln. »Ich weiß, wie furchtbar das für ...« Sie unterdrückte ein Schluchzen, holte tief Atem und fuhr dann fort: »Ich weiß, wie furchtbar das ist. Und... »
»Für uns alle.« Hätte sie jetzt um den Tisch gehen und der alten Dame den Arm um die Schulter legen können – alles wäre leichter gewesen. Aber Diane brachte es einfach nicht fertig. Betreten versuchte sie, das Gespräch irgendwie fortzuführen. »Es ist wie in einem Schauerroman. Menschen in einem Haus gefangen, und – draußen lauert etwas Entsetzliches. Schrecklich...«
»Was wird nun aus uns?«
»Kenny müßte unterwegs zu uns sein.«
»Kenny«, sagte Frieda leise, als spräche sie von einem kleinen Kind. »Kenny.«
»Warum verstehen sie sich nicht?«
Frieda hatte nur gehört, daß Diane eine Frage an sie gerichtet hatte. »Wie, bitte?«
»Larry und Kenny – warum verstehen sie sich nicht?«
Frieda überlegte. Da gab es viele Gründe. Sie waren so verschieden. Schon als Kind war Kenny so unabhängig gewesen – ganz anders als Larry. Kenny liebte es, draußen mit anderen Kindern herumzutoben, während Larry ein Bücherwurm war. Larry haßte, sich von seinem Bruder helfen zu lassen, und Kenny verübelte es seinem Bruder, daß seine schulischen Leistungen
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