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Die Mglichkeit einer Insel

Die Mglichkeit einer Insel

Titel: Die Mglichkeit einer Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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klappen, aber als wir im Zimmer waren, mußte ich mich den Tatsachen beugen: Meine Erektion war so kläglich, daß die Frau nicht einmal ein Kondom über meinen Schwanz ziehen konnte, und unter diesen Bedingungen weigerte sie sich, mir einen zu blasen, also was nun? Sie holte mir schließlich einen runter und blickte dabei starr in eine Ecke des Raums, sie ging zu unsanft dabei vor, es tat mir weh. Nach einer Minute spritzte ein kleiner durchsichtiger Strahl hervor, sie ließ sogleich meinen Pimmel los, und ich zog mir die Hose wieder hoch, ehe ich pinkeln ging.
    Am nächsten Morgen bekam ich ein Fax von dem Typen, der die Regie bei dem Film Diogenes der Kyniker geführt hatte. Er habe gehört, daß ich darauf verzichtete, Die Swinger der Autobahn zu verfilmen, das fände er wirklich schade; er sei willens, selbst die Regie zu übernehmen, wenn ich mich bereit erkläre, das Drehbuch zu schreiben. Er müsse in der darauffolgenden Woche nach Madrid kommen und schlug mir vor, wir könnten uns dort treffen, um über die Sache zu sprechen.
    Ich stand mit diesem Typen nicht wirklich in regelmäßigem Kontakt, tatsächlich hatte ich ihn seit über fünf Jahren nicht mehr gesehen. Als ich das Lokal betrat, wurde mir bewußt, daß ich völlig vergessen hatte, wie er aussah; ich setzte mich an den erstbesten Tisch und bestellte ein Bier. Zwei Minuten später trat ein kleiner, rundlicher, kraushaariger Mann um die Vierzig, der eine seltsame Jagdweste mit zahlreichen Taschen trug, mit einem Glas in der Hand lächelnd an meinen Tisch. Er war schlecht rasiert, seinem Gesicht war eine gewisse Verschlagenheit anzumerken, und ich erkannte ihn noch immer nicht wieder, trotzdem forderte ich ihn auf, sich zu mir zu setzen. Mein Agent habe ihm mein Expose und das Storyboard für den Trailer zum Lesen gegeben, sagte er; er fände das Projekt außergewöhnlich interessant. Ich nickte mechanisch und warf dabei einen Seitenblick auf mein Handy, bei meiner Ankunft am Flughafen hatte ich Esther eine Nachricht hinterlassen, um sie zu informieren, daß ich in Madrid war. Sie rief im richtigen Augenblick an, nämlich gerade als ich mich in meine Widersprüche verstrickte, und versprach in zehn Minuten vorbeizukommen. Dann blickte ich wieder zu dem Regisseur auf, ich konnte mich immer noch nicht an seinen Namen erinnern, aber mir wurde klar, daß ich ihn nicht mochte, ich mochte auch nicht sein Menschenbild, und überhaupt hatte ich nichts mit ihm am Hut. Er schlug mir jetzt vor, gemeinsam mit mir an dem Drehbuch zu arbeiten; bei diesem Gedanken zuckte ich zusammen. Er merkte es, machte einen Rückzieher und versicherte mir, daß ich selbstverständlich allein daran arbeiten könne, wenn mir das lieber sei, und er mir völlig vertraue. Ich hatte nicht die geringste Lust, mich mit diesem beknackten Drehbuch zu beschäftigen, ich wollte nur leben, noch ein bißchen leben, wenn es möglich war, aber ich konnte nicht offen mit ihm darüber reden, denn dieser Typ hatte ganz offensichtlich eine scharfe Zunge, so daß sich die Nachricht sehr schnell in der Branche herumgesprochen hätte, und aus irgendwelchen dunklen Gründen — vielleicht auch nur aus Überdruß — hatte ich das Bedürfnis, noch ein paar Monate lang den Schein zu wahren. Um das Gespräch nicht einschlafen zu lassen, erzählte ich ihm die Geschichte von dem Deutschen, der einen Landsmann, den er im Internet kennengelernt hatte, aufgegessen hatte. Als erstes trennte er ihm den Penis ab, briet diesen mit Zwiebeln an, und dann verzehrten sie ihn gemeinsam. Anschließend tötete er ihn, schnitt ihn in Stücke und bewahrte diese in seiner Tiefkühltruhe auf. Ab und zu nahm er ein Stück heraus, taute es auf und bereitete sich daraus eine Mahlzeit zu, und zwar jedesmal nach einem anderen Rezept. Das gemeinsame Verspeisen des Penis sei eine tiefgehende religiöse Erfahrung, ein Augenblick echter Kommunion zwischen ihm und seinem Opfer gewesen, wie er den Untersuchungsbeamten berichtete. Der Regisseur hörte mir mit einem dümmlichen und zugleich grausamen Lächeln zu, da er wohl vermutete, ich würde diese Elemente für mein Drehbuch verwenden, und freute sich schon über die abstoßenden Aufnahmen, die er damit drehen könnte. Zum Glück kam Esther mit strahlendem Lächeln herein, wobei ihr der Plissee-Sommerrock um die Schenkel wirbelte, und warf sich mir so leidenschaftlich in die Arme, daß ich alles andere vergaß. Sie setzte sich, bestellte sich eine Limonade mit Pfefferminzsirup und

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