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Die Mglichkeit einer Insel

Die Mglichkeit einer Insel

Titel: Die Mglichkeit einer Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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begrenzte Brunstperioden beschränkte, sondern jederzeit zum Ausbruch kommen konnte — die menschlichen Lebensberichte zeigen uns zum Beispiel ganz deutlich, daß die im Namen der Gesundheit unternommenen Bemühungen, die äußere Erscheinung zu erhalten, nur dazu diente, Erfolge beim anderen Geschlecht zu erzielen, und daß der Aufwand, um sich körperlich in Form zu halten, dem die Zeitgenossen von Daniel1 immer mehr Zeit opferten, genau das gleiche Ziel verfolgte.
    Die sexuelle Biochemie der Neo-Menschen — und das war vermutlich der wahre Grund für die Beklemmung und das Unwohlsein, die mich in zunehmendem Maße erfaßten, je weiter ich durch die Lektüre des Berichts von Daniel1 seinen Leidensweg nachvollziehen konnte — war fast identisch geblieben.
     
     

Daniel1,20
    »Das Nichts nichtet.«
    Martin Heidegger
    Seit Anfang August herrschte über der Ebene in Mittelspanien ein Hochdruckgebiet, und gleich bei meiner Ankunft auf dem Flughafen Barajas spürte ich, daß die Sache diesmal schiefgehen würde. Die Hitze war fast unerträglich, und Esther hatte sich verspätet; sie traf eine halbe Stunde später ein, nackt unter ihrem Sommerkleid.
    Ich hatte meine Verzögerungs-Creme im Lutetia vergessen, das war mein erster Fehler; ich kam viel zu schnell, und zum erstenmal spürte ich, wie Esther leicht enttäuscht war. Sie bewegte sich noch eine Zeitlang weiter, doch mein Glied erschlaffte hoffnungslos, dann wandte sie sich mit resignierter Miene ab. Ich hätte viel darum gegeben, sofort wieder eine Erektion zu haben; Männer leben von Geburt an in einer schwierigen Welt, einer Welt mit willkürlichen, unerbittlichen Regeln, und ohne die verständnisvolle Haltung der Frauen gelänge es nur wenigen zu überleben. Ich hatte bereits in diesem Augenblick das untrügliche Gefühl, daß Esther in meiner Abwesenheit mit jemand anderem geschlafen hatte.
    Wir nahmen die U-Bahn, um mit zwei Freunden von ihr etwas zu trinken; der Stoff ihres Kleides klebte ihr vom Schweiß am Körper, und man konnte deutlich den Warzenhof ihrer Brüste und die Furche ihres Hinterns erkennen. Alle Männer in dem Zug starrten sie natürlich an, manche lächelten ihr sogar zu.
    Ich hatte große Mühe, der Unterhaltung zu folgen, ab und zu verstand ich einen Satz, sagte ein paar Worte, verpaßte aber schnell wieder den Anschluß, wie dem auch sei, ich war mit meinen Gedanken woanders, spürte, wie ich mich auf eine gefährliche Bahn begab, eine gefährlich abschüssige Bahn. Sogleich nach unserer Ankunft im Hotel stellte ich ihr die Frage; sie gab die Sache unumwunden zu. »It was an ex boyfriend… «, sagte sie, um anzudeuten, daß das Ganze nicht sehr wichtig war. »And a friend of him«, fügte sie nach einer Weile zögernd hinzu.
    Zwei Männer also; so so, zwei Männer, aber auch das war schließlich nicht das erstemal. Sie hatte ihren Exfreund zufällig in einer Bar getroffen, er war mit einem seiner Freunde dort, und dann sei eins zum anderen gekommen, kurz und gut, schließlich seien sie alle drei im selben Bett gelandet. Ich fragte sie, wie es gewesen sei, ich konnte es mir nicht verkneifen. »Good … good … «, erwiderte sie leicht besorgt über die Wendung, die das Gespräch nahm. It was … comfortable«, fügte sie hinzu und mußte dabei lächeln. Komfortabel, ja, das konnte ich mir vorstellen. Ich mußte mich mit Gewalt zurückhalten, um sie nicht zu fragen, ob sie ihm einen geblasen hatte, ihrem Freund, den beiden, und ob sie sich hatte sodomisieren lassen, ich spürte, wie mir eine Flut von Bildern durch den Kopf schoß und Löcher in mein Gehirn fraß, das konnte man mir wohl ansehen, denn sie verstummte, und ihre Stirn wurde immer besorgter. Sehr schnell traf sie die einzig richtige Entscheidung und kümmerte sich um mein Glied, und das tat sie mit ihren Fingern und ihrem Mund so zärtlich und so geschickt, daß ich wider Erwarten gleich einen Steifen bekam, und eine Minute später war ich wieder in ihr. Diesmal klappte es, jetzt war alles wieder gut, ich war der Situation gewachsen und sie auch, ich hatte sogar den Eindruck, daß sie schon seit langem nicht mehr einen solchen Orgasmus gehabt hatte — zumindest mit mir, sagte ich mir zwei Minuten später, aber diesmal gelang es mir, diesen Gedanken zu verscheuchen, ich nahm sie ganz zärtlich in die Arme, mit all der Zärtlichkeit, zu der ich fähig war, und konzentrierte mich mit aller Kraft auf ihren Körper, auf die warme lebendige Gegenwart ihres Körpers.
    Diese

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