Die Mglichkeit einer Insel
einen zögernden, fragenden Blick zu: Keine Erinnerung aus seinem bisherigen Leben und nichts in seinem genetischen Gedächtnis hatte ihn auf ein Ereignis dieser Art vorbereitet; ehrlich gesagt, war auch ich nicht darauf vorbereitet. Er zögerte noch ein paar Sekunden, dann trottete er langsam bis zu meinen Füßen.
Ich mußte erst eine kahle, ebene Fläche von etwa zehn Kilometern überqueren; dann kam eine bewaldete sanfte Steigung, die sich bis zum Horizont erstreckte. Ich hatte nichts anderes im Sinn, als nach Westen zu gehen, möglichst in Richtung West-Süd-West; eine Gemeinschaft von Neo-Menschen, Menschen oder Wesen unbestimmter Gattung hatte sich möglicherweise in der Gegend von Lanzarote oder deren näherer Umgebung niedergelassen, vielleicht würde es mir gelingen, sie zu finden.
Darin bestand mein ganzes Vorhaben. Über die Form der Besiedlung der Regionen, die ich durchqueren mußte, wußte ich so gut wie nichts; ihre Topographie dagegen war noch vor kurzem sehr genau vermessen worden.
Ich lief etwa zwei Stunden lang über steiniges, aber leicht begehbares Gelände, ehe ich das bewaldete Gebiet erreichte; Fox trottete neben mir, sichtlich erfreut über diesen ausgedehnten Spaziergang und darüber, die Muskeln seiner kleinen Pfoten bewegen zu können. Währenddessen war mir sehr wohl bewußt, daß mein Fortgehen eine Niederlage und vermutlich sogar Selbstmord war. Ich hatte meinen Rucksack mit Mineralsalzkapseln gefüllt, so daß ich mehrere Monate überleben konnte, denn vermutlich würde es auf meinem Weg weder an Trinkwasser noch an Sonnenlicht fehlen; irgendwann würde der Vorrat natürlich zu Ende gehen, aber das eigentliche Problem war im Moment die Nahrung für Fox: Ich konnte jagen, ich hatte eine Pistole und mehrere Schachteln mit Schrotpatronen mitgenommen, aber ich hatte noch nie geschossen und nicht die geringste Ahnung, was für Tiere ich in den Regionen, die ich durchqueren mußte, antreffen würde.
Am späten Nachmittag lichtete sich der Wald, und ich erreichte eine Fläche mit niedrigem Gras, die die Kuppe des Hangs bildete, den ich seit Beginn des Tages erklommen hatte. Nach Westen hin fiel das Gelände ziemlich steil ab, und dahinter konnte man, soweit der Blick reichte, eine Abfolge von dichtbewaldeten Hügeln und steil abfallenden Tälern erkennen. Seit ich aufgebrochen war, hatte ich nichts gesehen, was auf die Gegenwart von Menschen hindeutete, und auch, allgemeiner gesagt, kein Anzeichen von tierischem Leben gefunden. Ich beschloß, an einer Quelle, in der ein Bach entsprang, die Nacht zu verbringen, ehe ich die südliche Richtung einschlug. Fox trank lange, dann streckte er sich mir zu Füßen aus. Ich nahm drei Tabletten ein, meine tägliche Dosis, die für meinen Stoffwechsel erforderlich war, und faltete die leichte Überlebensdecke auseinander, die ich eingepackt hatte; sie würde vermutlich ausreichen, denn meines Wissens hatte ich keine Hochgebirgsregionen zu durchqueren.
Gegen Mitternacht wurde es etwas kühler; Fox schmiegte sich an mich, atmete sehr regelmäßig. Manchmal wurde sein Schlaf von Traumen begleitet, dann bewegte er die Pfoten, als überwinde er ein Hindernis. Ich schlief sehr schlecht, mein Vorhaben kam mir immer unvernünftiger vor, unweigerlich zum Scheitern verurteilt. Dennoch bereute ich nichts; außerdem hätte ich ohne Schwierigkeiten kehrtmachen können, Central City übte keinerlei Kontrolle aus, im allgemeinen wurde nur durch Zufall festgestellt, daß jemand abtrünnig geworden war, anläßlich einer Lieferung oder einer notwendigen Reparatur, und manchmal erst nach vielen Jahren. Ich konnte zurückkehren, aber ich hatte keine Lust dazu: Die nur von sporadischem Gedankenaustausch unterbrochene einsame Routine, aus der mein Leben bestand und bis zum Ende hätte bestehen sollen, erschien mir jetzt unerträglich. Ich hätte das Glück kennenlernen müssen, das Glück, das braven Kindern beschieden ist, die sich den Vorschriften beugen und sich dadurch in Sicherheit fühlen, das Glück, ein Leben ohne Schmerzen und ohne Risiko zu führen; doch dieses Glück hatte ich nie erfahren, und die Eintönigkeit hatte zur Lethargie geführt. Die regelmäßigen kleinen Freuden der Neo-Menschen bestanden im wesentlichen darin, kleine, übersichtliche Einheiten zu sortieren, zu ordnen, zu klassifizieren und winzige Gegenstände sorgfältig und planmäßig umzustellen; diese Freuden hatten mir nicht genügt. Um das Verlöschen der Lebensgier zu erreichen, wie es
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