Die Mglichkeit einer Insel
diesem Gebiet; er hatte sogar Coluche zu Beginn seiner Karriere gekannt. »Wir sind einmal am selben Abend in Clermont-Ferrand aufgetreten…«, sagte er in nostalgischem Ton. Zu einer Zeit, als die Plattenfirmen aufgrund des Schocks über die Rockwelle, die plötzlich über Frankreich hereinbrach, allen möglichen Mist produzierten, hatte auch der Prophet (der damals allerdings noch kein Prophet war) eine Single unter dem Künstlernamen Travis Davis aufgenommen; er hatte eine kleine Tournee in Mittelfrankreich unternommen, und dabei war es geblieben. Wenig später hatte er versucht, sich mit Autorennen einen Namen zu machen, aber auch darin ohne großen Erfolg. Kurzum, er war damals auf der Suche nach Selbstverwirklichung, und daher kam die Begegnung mit den Elohim wie gerufen: sonst hätten wir womöglich einen zweiten Bernard Tapie vor uns. Heute sang er kaum noch, aber die Leidenschaft für schnelle Autos war geblieben, was dazu geführt hatte, daß in den Medien behauptet wurde, er unterhalte auf Kosten seiner Anhänger einen wahren Rennstall in seinem Anwesen in Beverly Hills. Das sei total erfunden, behauptete er mir gegenüber. Zum einen wohne er nicht in Beverly Hills, sondern in Santa Monica, und zum anderen besitze er nur einen Ferrari Modena Stradale (eine etwas stärker motorisierte Ausführung des normalen Modena-Modells, die außerdem durch die Verwendung von Glasfiber, Titan und Aluminium nicht ganz so schwer war) und einen Porsche 911 GT2; also eher weniger als ein durchschnittlicher Hollywoodschauspieler. Er habe allerdings vor, seinen Stradale durch einen Enzo und seinen 911 GT2 durch einen Carrera GT zu ersetzen; aber er sei sich nicht sicher, ob er sich das leisten könne.
Ich war durchaus geneigt, ihm zu glauben, denn er machte eher den Eindruck eines Weiberhelden als den eines geldgierigen Mannes, und beides war nur bis zu einem bestimmten Punkt vereinbar — ab einem gewissen Alter wird es schwierig, sich gleichzeitig zwei Leidenschaften zu widmen: wem es gelingt, eine beizubehalten, kann sich schon glücklich schätzen; ich war zwanzig Jahre jünger als er, und bei mir spielte sich ganz offensichtlich schon gar nichts mehr ab. Um das Gespräch nicht einschlafen zu lassen, erwähnte ich meinen Bentley Continental GT, den ich gegen einen Mercedes SL 600 eingetauscht hatte — was, wie mir sehr wohl klar war, als ein Zeichen der Verbürgerlichung gewertet werden konnte. Ehrlich, worüber sollten sich Männer bloß unterhalten, wenn es keine Autos gäbe?
Während des ganzen Mittagessens wurden die Elohim mit keinem Wort erwähnt, und im Laufe der Woche stellte ich mir allmählich die Frage, ob sie wirklich daran glaubten. Nichts ist schwieriger, als eine leichte kognitive Schizophrenie zu erkennen, und was die meisten Anhänger betraf, war ich nicht imstande, die Sache zu beurteilen. Patrick glaubte offensichtlich daran, was im übrigen ein bißchen beunruhigend war: Immerhin hatte er einen hohen Posten in einer Bank in Luxemburg inne und verwaltete Summen, die manchmal eine Milliarde Euro überschritten, und so jemand sollte an Hirngespinste glauben, die den simpelsten Thesen Darwins widersprachen?
Der Professor war jemand, der mich in dieser Hinsicht noch neugieriger machte, und ich stellte ihm schließlich die Frage ganz direkt — bei einem Mann von solcher Intelligenz fühlte ich mich unfähig, um den heißen Brei herumzureden. Seine Antwort war, wie erwartet, vollkommen klar. Erstens sei es durchaus möglich und sogar wahrscheinlich, daß irgendwo im Universum Formen von Leben entstanden seien, von denen einige intelligent genug waren, um Leben hervorzubringen oder zu manipulieren. Zweitens sei der Mensch unzweifelhaft auf entwicklungsgeschichtlichem Weg entstanden, und seine Erschaffung durch die Elohim könne demnach nur als Metapher verstanden werden — er warnte mich jedoch davor, Darwins Theorie blindlings zu vertrauen, denn immer mehr seriöse Wissenschaftler kehrten ihr, wie er sagte, den Rücken; die Entstehung der Arten gehe in Wirklichkeit nicht so sehr auf eine natürliche Auslese zurück als vielmehr auf einen sprunghaften genetischen Wandel — mit anderen Worten auf reinen Zufall — und auf die Entstehung von geographischen Isolaten oder getrennten Biotopen. Drittens sei es durchaus möglich, daß der Prophet jemandem begegnet sei, der zwar kein Außerirdischer, aber doch ein Mensch der Zukunft sei; gewisse Interpretationen der Quantenmechanik schlössen sehr wohl die
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