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Die Mglichkeit einer Insel

Die Mglichkeit einer Insel

Titel: Die Mglichkeit einer Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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wenigstens noch ein paar Jahre dort zu bleiben, bis ich meinen Abgang von der Bühne offiziell verkündete. Doch diesmal schaltete ich als erstes mein Handy wieder ein, kaum daß ich aus dem Flugzeug gestiegen war; ich war überrascht und fast erschrocken darüber, wie heftig meine Enttäuschung war, als ich feststellte, daß Esther mir keine Nachricht hinterlassen hatte.
    Wenn man ernsthaft verliebt ist, besteht die einzige Überlebenschance darin, es der Frau, die man liebt, zu verheimlichen und bei allen Gelegenheiten eine leichte Gleichgültigkeit vorzutäuschen. Wie traurig diese einfache Feststellung ist! Und was für eine Anklage gegen den Menschen!… Dennoch wäre es mir nie in den Sinn gekommen, dieses Gesetz abzustreiten oder zu versuchen, mich ihm zu entziehen: Die Liebe macht schwach, und der Schwächere der beiden wird unterdrückt, gequält und letztlich vom anderen getötet, der unterdrückt, quält und tötet, ohne sich etwas Böses dabei zu denken und sogar ohne Lust dabei zu empfinden, sondern nur völlige Gleichgültigkeit; und das nennen die Menschen gewöhnlich Liebe. In den ersten beiden Tagen überkamen mich oft Zweifel im Hinblick auf das Telefon. Ich ging in den Zimmern auf und ab, rauchte eine Zigarette nach der anderen, hin und wieder lief ich ans Meer, machte kehrt und stellte fest, daß ich das Meer nicht gesehen hatte und nicht in der Lage gewesen wäre zu bestätigen, daß es in diesem Augenblick tatsächlich noch existierte — bei diesen Spaziergängen zwang ich mich dazu, mich von meinem Handy zu trennen, es auf meinem Nachttisch liegen zu lassen, und darüber hinaus zwang ich mich dazu, eine zweistündige Pause einzuhalten, ehe ich es wieder einschaltete, um dann wieder einmal feststellen zu müssen, daß sie mir noch immer keine Nachricht hinterlassen hatte. Am Morgen des dritten Tages kam ich auf die Idee, mein Handy die ganze Zeit eingeschaltet zu lassen und zu versuchen, das Warten auf das Klingeln zu vergessen; mitten in der Nacht, als ich meine fünfte Tranxiliumtablette schluckte, wurde mir klar, daß das alles nichts nützte, und ich fand mich allmählich damit ab, daß Esther die Stärkere war und ich über mein Leben nicht mehr selbst verfügen konnte.
    Am Abend des fünften Tages rief ich sie an. Sie schien sich nicht im geringsten darüber zu wundern, daß sie meine Stimme hörte, die Zeit sei so schnell vergangen. Sie sei gern bereit, mich in San Jose zu besuchen; sie kenne die Provinz Almeria gut, da sie als kleines Mädchen mehrmals ihre Ferien dort verbracht habe; seit einigen Jahren fahre sie eher nach Ibiza oder Formentera. Sie könne ein Wochenende bei mir verbringen, nicht das nächste, aber das darauffolgende; ich atmete tief, um mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Un besito …« , sagte sie, ehe sie auflegte. So, nun wurde ich noch ein bißchen mehr von dem Räderwerk erfaßt.
     
     

Daniel25,2
    Zwei Wochen nach meiner Ankunft starb Fox kurz nach Sonnenuntergang. Ich lag auf dem Bett, als er sich näherte und mühsam versuchte heraufzuklettern; er wedelte nervös mit dem Schwanz. Von Anfang an hatte er nicht ein einziges Mal seinen Freßnapf angerührt; er war stark abgemagert. Ich half ihm, sich auf mich zu legen; ein paar Sekunden blickte er mich mit einer seltsamen Mischung aus Erschöpfung und der Bitte um Verzeihung an; dann legte er mir besänftigt den Kopf auf die Brust. Sein Atem wurde langsamer, er schloß die Augen. Zwei Minuten später tat er seinen letzten Atemzug. Ich begrub ihn innerhalb des Geländes der Residenz in der westlichen Ecke der Umzäunung, neben seinen Vorgängern. Nachts kam ein Schnelltransporter aus Central City und lieferte mir einen identischen Hund; die Fahrer kannten den Code für das Tor und dessen Funktionsweise; ich stand nicht auf, um sie zu empfangen. Ein kleiner weißer, nicht reinrassiger Hund mit rotbraunen Flecken kam schwanzwedelnd auf mich zu; ich gab ihm ein Zeichen. Er sprang aufs Bett und streckte sich neben mir aus.
    Die Liebe läßt sich leicht definieren, aber in der Aufeinanderfolge der Lebewesen kommt sie nur selten zustande. Mit den Hunden huldigen wir der Liebe und ihrer Möglichkeit. Was ist ein Hund schon anderes als eine Liebesmaschine? Man stellt ihm einen Menschen vor mit dem Auftrag, ihn zu lieben — und egal wie häßlich, pervers, verunstaltet oder dumm dieser auch sein mag, der Hund liebt ihn. Dieses Phänomen war so überraschend und so verblüffend für das ehemalige

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