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Die Mglichkeit einer Insel

Die Mglichkeit einer Insel

Titel: Die Mglichkeit einer Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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kläglichen Drehbücher, die mit dem Know-how eines gewieften Profis zusammengebastelt waren, um ein Publikum von Arschlöchern und Affen zu belustigen, es verdiente, mich zu überleben. Dieser Gedanke war hin und wieder ein wenig schmerzhaft; aber ich wußte, daß es mir gelingen würde, auch ihn schnell zu verdrängen.
    Das einzige, das ich mir nicht recht erklären konnte, war Esthers Befangenheit, wenn ihre Schwester sie in unserem Hotel anrief. Bei dem Gedanken daran wurde mir bewußt, daß ich zwar ein paar von ihren Freunden kennengelernt hatte — zumeist Homosexuelle —, jedoch nie ihre Schwester, dabei lebte sie mit ihr zusammen. Nach kurzem Zögern gestand sie mir, daß sie ihrer Schwester nie etwas von unserer Beziehung erzählt habe; immer wenn wir uns sahen, gab sie vor, sie sei bei einer Freundin oder bei einem anderen Mann. Ich fragte sie, warum. Sie hatte nie wirklich darüber nachgedacht; sie meinte, das würde ihre Schwester möglicherweise schockieren, hatte aber nie versucht, der Sache auf den Grund zu gehen. Der Inhalt meiner Shows oder Filme war bestimmt nicht daran schuld; sie war bei Francos Tod ein junges Mädchen gewesen, hatte aktiv an der movida teilgenommen, die anschließend begonnen hatte, und ein ziemlich ausschweifendes Leben geführt. Alle Drogen waren ihr willkommen: Kokain, LSD, halluzinogene Pilze, Marihuana und Ecstasy. Als Esther fünf war, lebte ihre Schwester mit zwei Männern zusammen, die selbst bisexuell waren; alle drei schliefen im selben Bett und sagten ihr gemeinsam gute Nacht, ehe sie einschlief. Später hatte sie mit einer Frau zusammengelebt, empfing aber immer noch zahlreiche Liebhaber, außerdem hatte sie mehrmals ziemlich heiße Nächte in ihrer Wohnung veranstaltet. Esther sagte damals allen gute Nacht, ehe sie sich in ihr Zimmer zurückzog, um Tim und Struppi zu lesen. Aber auch für ihre Schwester gab es gewisse Grenzen, einmal hatte sie einen ihrer Gäste, der das kleine Mädchen etwas zu intensiv zu streicheln versucht hatte, schonungslos vor die Tür gesetzt und sogar gedroht, die Polizei zu holen. »Unter freien, bereitwilligen Erwachsenen«, das war die Grenze, und das Erwachsenenalter begann mit der Pubertät, all das war völlig klar, ich konnte mir gut vorstellen, was für eine Frau sie war, und in künstlerischer Hinsicht vertrat sie bestimmt das Recht auf totale Ausdrucksfreiheit. Als linke Journalistin respektierte sie sicher die Kohle, dinero, also wirklich, ich konnte mir nicht vorstellen, was sie mir vorzuwerfen hatte. Da mußte wohl noch etwas anderes sein, etwas Verborgenes, das sich nicht so leicht eingestehen ließ, und um Gewißheit zu bekommen, stellte ich Esther schließlich ohne Umschweife die Frage.
    Nachdem sie eine Weile nachgedacht hatte, antwortete sie mit zögernder Stimme: »Ich vermute, daß sie dich für zu alt hält…«Ja, das war es, ich war davon überzeugt, sobald sie es gesagt hatte, und diese Enthüllung war für mich keine Überraschung, sie war wie der Widerhall eines dumpfen erwarteten Schlages. Der Altersunterschied war das letzte Tabu, die äußerste Grenze, die dadurch, daß sie die letzte blieb und alle anderen ersetzt hatte, besonders massiv war. In der modernen Welt konnte man Swinger, bisexuell, transsexuell, Sodomit oder Sadomaso sein, aber es war verboten, alt zu sein. »Sie findet das vermutlich ein bißchen krankhaft, nicht normal, daß ich nicht mit einem Typen in meinem Alter zusammen bin …«, fuhr sie resigniert fort. Ja, allerdings, ich war ein alternder Mann, das war eine wahre Schande — um den Begriff zu nehmen, den Coetzee verwendet, er erschien mir sehr treffend, ich fand keinen besseren, und die losen Sitten, die bei Jugendlichen so bezaubernd, so erfrischend und so verlockend waren, konnten bei mir nur zum abstoßenden Verhalten eines alten Schweins werden, das sich weigert, von der Bühne abzutreten. Was ihre Schwester möglicherweise dachte, würden auch alle anderen an ihrer Stelle denken, es war ausweglos — es sei denn, man war ein chinesischer Geschäftsmann.
    Ich hatte diesmal beschlossen, die ganze Woche in Madrid zu bleiben, und zwei Tage später hatte ich einen kleinen Streit mit Esther über Larry Clarks letzten Film Ken Park, den sie unbedingt sehen wollte. Ich hatte Kids gräßlich gefunden und fand Ken Park noch gräßlicher, die Szene, in der dieses kleine Dreckschwein seine Großeltern verprügelt, fand ich unerträglich, dieser Regisseur ekelte mich regelrecht an, und dieser

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