Die Midlife-Boomer
solches Ergebnis«, sagt der seit 1996 amtierende und im Jahr 2011 zum dritten Mal wiedergewählte Ratschef einer 17.000-Einwohner-Kommune im Saarland. »Wenn andere dem nacheifern, was Amtsleiter Andreas Homburg präsentierte, führt das möglicherweise zu einer Kannibalisierung der Kommunen und einer Vernichtung von Ressourcen.«
König hat deshalb eine andere Strategie gewählt: »Mehr Dorf für weniger Menschen«, nennt es der Germanist und promovierte Verwaltungswissenschaftler. Ein zentraler Baustein dabei ist der offensive Abriss leer stehender Häuser. Wenn sie unbewohnt sind, verwahrlosen sie zunehmend – und senken dadurch auch den Wohnwert der Umgebung. Je mehr Leerstand, desto unattraktiver oft auch die Straße oder gar die Gemeinde. Dagegen will König mit dem Abriss angehen. Also ließ er Transparente mit Aufschriften wie »Mich hat’s zuerst erwischt!« oder »Ich bin als Nächstes dran!« 162 an den teilweise schon stark verfallenen Immobilien anbringen.
Der Bürgermeister wollte damit Aufsehen erregen und Diskussionen anstoßen. »Leer stehende Häuser sind ein Signal für demografischen Wandel«, sagt er. »Viele Bürgermeister thematisieren das aber noch nicht aus Angst, vom Bürger bei den nächsten Wahlen abgestraft zu werden.«
König wählte den umgekehrten Weg. 2006 legte er das Zukunftsprogramm Illingen 2030 auf und begann wie sein Kollege in Arnsberg eine intensive Debatte mit den Bürgern. Dabei hat sich das Illinger Leerstandskataster als das »am schnellsten wirksame Instrument« zum Bewusstseinswandel im Dorf erwiesen, meint König. Dabei wird der leer stehende Wohnraum anhand der Daten des Katasteramtes erfasst. Zwar sei die Leerstandsquote von 1,5 bis 2 Prozent »unproblematisch und beherrschbar« gewesen, doch ein »wachsender Bodensatz von Problemhäusern« verschandelte die Gemeinde zunehmend.
Mit der Berufung eines »Leerstandsmanagers« bekam diese Sorge zudem ein »öffentliches Gesicht«, wie König es nennt. Auch die Plakate dienten dem Zweck, aufzurütteln und die Kooperationsbereitschaft der Besitzer der Problemimmobilien zu wecken. Viele hatten unrealistische Vorstellungen vom Wert der Häuser und mussten deshalb mühsam überzeugt werden, auch zu niedrigeren Preisen zu verkaufen. Bei manchen Immobilien kam aber nur noch der Abriss in Frage. Mit den dort angebrachten Plakaten zelebrierte König das regelrecht – ein Teil seines Mottos »Mehr Dorf für weniger Menschen«.
»Demografie ist Quartierspolitik« ist dabei der zentrale Leitgedanke des engagierten Kommunalpolitikers, der auch bundesweit in vielen Gremien zum Thema sitzt. Jedem einzelnen Abriss ging eine intensive Debatte unter den Bürgern voraus. »Sie müssen in den Straßen der Orte informieren, Vertrauen schaffen, aber auch provozieren und kommunizieren – all dies gehört zur Erfolgsstrategie«, sagt er.
Auch in dem nordhessischen Städtchen Wanfried war es ein von zwei Bürgern initiiertes und vom Bürgermeister sofort unterstütztes Leerstandskataster, das den Startschuss zur folgenden Revitalisierung des schrumpfenden Ortes gegeben hat. Der Leerstand in der eigentlich wunderschön im Werratal gelegenen Stadt war so groß, dass selbst prächtigste Fachwerkhäuser für unter 10.000 Euro verkauft wurden.
Viele von ihnen stammen noch aus der Zeit, als die Weser-Werra-Schifffahrt Wanfried zu einem bedeutenden Umschlagplatz für Waren von und nach Südosteuropa machte. Prächtige Kaufmannshäuser entstanden, viele stehen noch heute. Doch durch die Lage direkt an der früheren innerdeutschen Grenze und den Niedergang der Textilindustrie verlor Wanfried im vergangenen Jahrhundert immer mehr Einwohner. Das schmucke Städtchen ist deshalb heute schon dort, wo die meisten anderen Kommunen erst in zehn bis zwanzig Jahren sein werden.
Als zwei Wanfrieder Bürger 2006 die Idee zum Leerstandskataster hatten, wurde daraus schnell eine Bürgergruppe 163 , die seitdem nach Käufern für die Häuser sucht. In der Gruppe gibt es Architekten und Finanzfachleute, aber auch Ingenieure und Vertreter ganz fachfremder Berufe.
Dass sie in Holland fündig wurden, war Zufall: »Bei der Feier zum 400-jährigen Stadtrecht haben wir die Bürgergruppe vorgestellt«, erzählt Jürgen Rödiger, der 2007 zur Bürgergruppe dazukam und heute ihr Sprecher ist. Eine holländische Familie, die seit über einem Jahrzehnt in der Gegend lebte, erfuhr davon und kam mit einem örtlichen Händler ins Gespräch. »Holländer suchen nach
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