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Die Midlife-Boomer

Die Midlife-Boomer

Titel: Die Midlife-Boomer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Heckel
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Fachwerkhäusern«, rieten sie ihm, als sie ihren Rasenmäher zur Reparatur abgaben. Der Händler gab das an Bürgermeister Gebhard weiter und der an die Bürgergruppe.
    Wanfried schaltete eine Anzeige auf einem der beliebtesten holländischen Internet-Marktplätze – und wenig später waren auch schon die ersten Interessenten da.
    »Das erste verkaufte Haus stand zehn Jahre leer und sollte 12.000 Euro kosten«, erinnert sich Jürgen Rödiger. Inzwischen hat die Bürgergruppe 20 leer stehende Häuser verkauft und über 650.000 Euro an zusätzlichen Aufträgen für die lokalen Handwerker generiert.
    Denn das Erfolgsmodell von Wanfried ist nicht nur die schöne Lage und die hübschen Häuser, sondern vor allem die Betreuung durch die Bürgergruppe. So fühlen sich die Interessenten von Anfang an willkommen. Die Architekten und Finanzexperten geben zum Beispiel eine erste Schätzung über die Renovierungskosten ab. »Wir haben uns mit den lokalen Handwerkern getroffen und ihnen gesagt, dass wir sie bei den Käufern empfehlen werden«, sagt Rödiger. »Aber wir erwarten auch, dass sie gute Arbeit abliefern.«
    Inzwischen ist es der Bürgergruppe sogar gelungen, Fördergelder für den Umbau eines Hauses in ein Fachwerkmusterhaus zu bekommen. Dort können sich künftige Käufer nun informieren, welche unterschiedlichen Methoden für den Umbau der alten Häuser zur Verfügung stehen. So wurden drei unterschiedliche Dämm-methoden im Fachwerkmusterhaus verwendet, als Licht werden moderne LED-Leuchten eingesetzt. »Wir wollen zeigen, was alles machbar ist«, sagt Rödiger. »Viele können sich nur schwer vorstellen, wie die Häuser später aussehen können.«
    Der Elektroingenieur und seine Mitstreiter renovieren auch selbst: Die Bürgergruppe kümmert sich um die Sanierung der »Uraltschule«, wie man sie dort nennt, eines klassizistischen Sandsteingebäudes von 1843. Jeden Mittwoch trifft sich die Gruppe zum freiwilligen Arbeitseinsatz. Als sie kürzlich eine 700-Euro-Spende bekam, verteilte sie das Geld in Zehn-Euro-Scheinen an interessierte Bürger und bat sie, daraus mehr zu machen. Manche kochten damit Marmelade ein, die hinterher wieder verkauft wurde. Schüler boten Kartoffelpuffer beim Schulfest an. Und eine Violinistin erstand damit Noten, um ein Konzert zu geben – und machte so 300 Euro aus ihren zehn Euro. »Wir konnten das Geld so fast verfünffachen«, freut sich Rödiger.
    All diese Aktivitäten haben neue Energie in die Stadt gebracht und die Bürger insgesamt aktiviert. »Die Stimmung ist viel besser geworden«, sagt Rödiger, der selbst in Wanfried geboren ist. Die Bürger wissen nun, was sie selbst mit Engagement erreichen können. Jedes verkaufte und renovierte Haus macht das Städtchen nicht nur schöner, sondern hilft, die Infrastruktur für alle Bürger zu erhalten. Mehrere Lebensmittelgeschäfte gibt es im Ort, sechs Ärzte und einen Tierarzt, verschiedene Gaststätten.
    2010 wuchs erstmals auch die Bevölkerung wieder, wenn auch nur um bescheidene 21 Menschen. Doch darum geht es gar nicht, wichtig ist vor allem, dem Schwund entgegenzuwirken. Hier zeigt Wanfried, was mit Bürgerengagement alles möglich ist – und wie entscheidend es ist, dass sich die Bürger einmischen. »Viele kleine Gemeinden und Städte liegen landschaftlich ansprechend, sind preiswert und könnten ältere Großstädter ansprechen, die dort unglücklich sind«, meint Jürgen Rödiger. Und in der Tat nimmt das Interesse anderer Städte und Gemeinden am Wanfrieder Erfolgsmodell zu. Die Mitglieder der Bürgergruppe werden inzwischen immer öfter angefragt, ob sie ihre Erfahrungen weitergeben können.
    Das tun sie gerne, denn auch sie profitieren stark von ihrem Engagement. »Es macht Spaß, wir lernen interessante Leute kennen, und das ganze öffnet neue Horizonte«, sagt Rödiger über sich und seine Mitstreiter, »und es hält jung.«
    Wer sich also fragt, wie er selbst dabei mithelfen kann, seinen Heimatort demografiefest zu machen, sollte zuerst erkunden, ob es bereits ein Leerstandskataster gibt oder die Kommune wenigstens über genaue Daten zur Altersschichtung in den einzelnen Stadtvierteln verfügt.
    Für einen ersten Eindruck reicht der Blick über den Gartenzaun: Wenn ringsum ähnliche Häuser aus dem ähnlichen Baujahr stehen und wenig Kinder zu sehen sind, wird es problematisch. Denn die vielen Neubaugebiete der 70er und 80er Jahre altern inzwischen auch gemeinsam – und haben schon oder bekommen alle die

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