Die Midlife-Boomer
auch die Folgen der Alterung offensichtlich: Kindergärten schließen, Schulen werden zu Seniorenheimen umgebaut, der öffentliche Nahverkehr wird stark reduziert.
Auch diese Diskussion wird in Deutschland weitestgehend als Verlustdebatte geführt. Wir sehen die Veränderungen fast ausschließlich in negativem Kontext – und haben zunächst auch einmal wenig Grund, sie anders zu sehen. In der Tat sind die Herausforderungen für die kommunale Infrastruktur in Ostdeutschland gewaltig. Die Regionen in Westdeutschland, die diesen Prozess in den nächsten Jahrzehnten vor sich haben, sind nicht zu beneiden.
Mittlerweile fallen auch in den eher abgelegenen ländlichen Regionen im Westen die Immobilienpreise teilweise dramatisch. Im Bayerischen Wald und Teilen von Franken, in Nordhessen, Teilen des Saarlands und des Ruhrgebiets hat die Schrumpfung und Alterung bereits spürbar eingesetzt. Oftmals sind die Immobilienpreise dort in den letzten zehn Jahren bereits um bis zu 30 Prozent gesunken 154 .
Wenn die Kommune in einer solchen Situation nicht gegensteuert und immer mehr Häuser leer stehen, beginnt ein Prozess der städtischen und dörflichen Verwahrlosung, der kaum mehr zu stoppen ist. Niemand möchte neu in derartige »sterbende Dörfer« ziehen, immer mehr ziehen weg und verstärken so noch die Auswirkungen der demografischen Entwicklung. Die Kommune kann ihre Infrastruktur nicht mehr aufrechterhalten und beginnt, Kindergärten, Sportplätze und Schwimmbäder zu schließen. Je unattraktiver der Ort wird, desto mehr beschleunigt sich die Flucht aus ihm.
Schließlich bleiben nur noch die Alten zurück, die nicht flüchten können und wollen – und eine für die wenigen Einwohner meist total überdimensionierte kommunale Infrastruktur mit leer stehenden Schulen, Abwasserkanälen, durch die zu wenig Wasser fließt, und einem Straßennetz, das zu groß ist, um noch repariert werden zu können. Die Kommunen müssen immer weiter ihre Gebühren erhöhen und haben doch immer weniger Einwohner, die sie bezahlen können. Zum Schluss fehlt jeglicher Spielraum, der Bürgermeister gibt auf – und die Dörfer und Städte enden nicht selten unter kommunaler Zwangsverwaltung der jeweils höheren Verwaltungseinheit.
Dieses Szenario spielt sich in Ostdeutschland seit zwei Jahrzehnten in sich immer weiter verschärfender Dimension ab. Nun erreicht es den Westen und wird – spätestens dann – zu einem beherrschenden Thema. Denn an wenig glauben die Deutschen so sehr wie an die These vom »Betongold«, dem unerschütterlichen Wert ihrer Einfamilienhäuser. Zudem gelten sie als die beste Sicherung für das Alter – auch das ein Glaubenssatz, den man künftig in Zweifel wird ziehen müssen.
Die wären allerdings schon längst angebracht: Sowohl die Schrumpfung als auch die Alterung der Städte und Gemeinden ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten sehr gut beschrieben und analysiert worden. Es liegen Dutzende von Büchern und Studien vor. Auf Internetplattformen wie wegweiser-kommune.de 155 können sich Interessierte detailliert ansehen, wie die demografische Entwicklung in ihrer Stadt oder Gemeinde bis zum Jahr 2030 verlaufen wird, und dies mit ähnlich strukturierten Kommunen vergleichen.
Hier soll der Fokus deshalb darauf liegen, was interessierte Bürger tun können, um in ihrer »Wunschkommune« gute Bedingungen fürs Älterwerden zu haben. Viele werden dort leben bleiben wollen, wo sie bereits wohnen und Familie, Freunde und ihr gesellschaftliches Umfeld haben. Manche aber überlegen sich in der zweiten Lebenshälfte auch, noch einmal umzuziehen.
In den USA beispielsweise gibt es seit langem eigens erstellte Listen über die »besten Orte für den Ruhestand« 156 . »Entspannen Sie sich und träumen Sie ein wenig. Ihr Ruhestand ist möglicherweise noch Jahre oder gar Jahrzehnte entfernt. Aber das bedeutet nicht, dass Sie nicht ein wenig darüber nachsinnen dürfen – und auch darüber, wo Sie die goldenen Jahre verbringen möchten«, heißt es beispielsweise in der Einleitung der 2007er-Liste von U.S. News & World Report .
2000 Orte mit über 15.000 Einwohnern hat die Redaktion nach Kriterien wie Lebenshaltungskosten, Klima, Kriminalitätsrate, Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie Freizeitmöglichkeiten sortiert. Die zehn, die der Redaktion am besten gefallen haben, werden vorgestellt. Alle anderen können in ständig aktualisierten Datenbanken nach den jeweiligen
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