Die Midlife-Boomer
es in Gruppen auch immer wieder zu Konflikten, die geschlichtet werden müssen. Und es ist viel Organisationarbeit zu leisten. Übernehmen Bewohner diese Kooperationsarbeit, ist die Gefahr hoch, dass sie damit überfordert sind und das Wohnkonzept dadurch insgesamt bedroht wird.
Schaut man auf die nun schon fünfzehnjährige Laufzeit, erweisen sich die Lebensräume als ein erfolgreiches Wohnkonzept für die alternde Gesellschaft, das auch von Durchschnittsrentnern bezahlt werden kann und für die Kommune zu klaren Einsparungen führt. Die Bewohner zahlen eine ortsübliche Durchschnittsmiete und sparen sich durch die Nachbarschaftshilfe viele der Dienstleistungen, die andere bezahlen müssen.
Gelingt es, den Zeitpunkt der Pflegebedürftigkeit weiter nach hinten zu schieben oder ganz zu vermeiden, profitieren alle Beteiligten: zuvorderst natürlich die Mieter, die länger aktiv und selbstbestimmt bleiben. Aber auch die Vermieter mit weniger Fluktuation und in großem Maße auch die Kommune, die für die Sozialleistung »Hilfe zur Pflege« für diejenigen aufkommen muss, die ihre Pflege selbst nicht mehr bezahlen können.
Alle in diesem Kapitel geschilderten Beispiele zeigen eines sehr deutlich: Je mehr Städte und Kommunen ihre Bürger einbeziehen, desto erfolgreicher werden sie in ihren Demografiestrategien sein.
Es ist unbestritten, dass insbesondere auf viele Gemeinwesen im Westen Deutschlands, in Österreich und der Schweiz große Herausforderungen zukommen. Doch in diesem demografischen Wandel liegt auch eine Chance – und zwar wenn es gelingt, die städtischen Räume für alle noch lebenswerter zu machen. Vieles, von dem Ältere profitieren, wie eine Quartiersbildung und fußläufige Wege zu den Versorgungseinrichtungen, nutzt auch den Jungen. Kommen sich Senioren und Kinder näher, weil ihre Aufenthaltsorte architektonisch verknüpft werden, können sich neue Bande jenseits des engeren Familienkontextes bilden.
Kapitel 10:
Es ist meine Zukunft – Warum es nie spannender war, älter zu werden
Sie gelten umgangssprachlich als die »Fünf Weisen« der Republik: vier Herren und eine Dame im sogenannten »Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung«. Am 18. Mai 2011 übergab der damalige Ratsvorsitzende Wolfgang Franz im Bundeskanzleramt ein über 200 Seiten dickes Gutachten an Kanzlerin Angela Merkel. In nüchternstem Ökonomendeutsch befassen die Experten sich darin mit den Auswirkungen der Schrumpfung und Alterung auf den Wohlstand in Deutschland.
Hunderte von Studien haben die Sachverständigen und ihre Mitarbeiter darin ausgewertet und Dutzende weiterer Experten zu Spezialthemen des demografischen Wandels befragt. Viel amtlicher als von den Mitgliedern des Sachverständigenrates kann man kaum testiert bekommen, wie es denn nun tatsächlich um die demografische Lage hierzulande bestellt ist.
Und siehe da: Deutschland wird sich nicht abschaffen. Es gibt auch kein Methusalem-Komplott. Und selbst der Krieg der Generationen fällt aus. »Wir kommen zu dem Ergebnis, dass insgesamt gesehen die ökonomischen Konsequenzen beherrschbar sind, vorausgesetzt, dass die Wirtschaftspolitik und die Gesellschaftspolitik die richtigen Maßnahmen einleiten«, berichtete Wolfgang Franz 164 der Bundeskanzlerin.
Genau darum geht es in den nächsten Jahren: Wir müssen uns trauen, das Richtige zu tun, um das Geschenk der gewonnenen Lebensjahre für alle sinnvoll zu nutzen. Das ist eine große Aufgabe, aber sie lässt sich bewältigen.
Bevor ich Ihnen – quasi als Fazit dieses Buches – meine Gründe nennen möchte, warum es nie spannender war, älter zu werden, deshalb noch etwas harte Zahlenkost und die daraus folgenden politischen Forderungen. Diese Zumutung muss leider sein. Denn der Umbau der Sozialsysteme, der Rentengesetzgebung, der Bildungsgänge und nicht zuletzt der kommunalen Infrastruktur ist eine Mammutaufgabe, die etliche Jahre beanspruchen wird. Mit der Rente mit 67 wurde allenfalls ein erster Schritt auf dem Weg in ein Land des langen Lebens gemacht.
Wenn wir jetzt anfangen, können wir diese Veränderungen nach unseren Prioritäten gestalten. Warten wir aber weiter ab und verdrängen wie bisher, steigen die (nicht nur materiellen) Kosten des demografischen Wandels deutlich. Unsere Wahlmöglichkeiten verringern sich umso stärker, je länger wir die Anpassungen aufschieben.
Das Gutachten des Sachverständigenrates 165 hat einen sehr anschaulichen Weg gefunden,
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