Die Mission
ihre Miete von fünfzig Dollar berappen musste. Ella, die in der kommenden Woche von Luft und Liebe würde leben müssen.
Besser gesagt, es war der General, der die Fragen stellte. Und seltsamerweise schlotterten ihm die Knie und nicht Ella.
Tap, tap, tap.
Schließlich sprach das Orakel: »Sie singen, Miss Thomas …?«
Dumme Frage Nr. 1.
Wieso fragt er das, dachte Ella, vor allem, nachdem sie letzte Woche nichts anderes getan hatte als zu singen. Davon abgesehen hatte man sie von Kopf bis Fuß diversen körperlichen und seelischen Tests unterzogen: Bluttests, Gentests, Sehtests, Hörtests, Fitnesstests, Intelligenztests, dem Rorschach-Test, dem MBTI-Test, mehreren Eignungstests und noch diesem anderen, den der Arzt mit einem Endoskop gemacht hatte und über den sie lieber nicht nachdenken wollte. Im Großen und Ganzen war es eher so etwas wie eine Geduldsprobe gewesen.
Trotzdem hatte sie es bis hierher geschafft, bis zu diesem letzten Gespräch. Sie war dem Erfolg so nah, dass sie ihn förmlich riechen konnte. Ella Thomas holte tief Luft und entspannte sich. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um Amok zu laufen oder Ärger zu machen.
Ich muss cool bleiben.
Möglich, dass es das verrückteste Vorstellungsgespräch war, das sie je geführt hatte, das frustrierendste war es auf jeden Fall, aber sie brauchte diesen Job unbedingt.
Au Mann, sie musste diesen Gig kriegen.
Morgen war die Miete fällig .
Sie schenkte dem General ihr süßestes Lächeln und klimperte mit den großen braunen Augen. »Ja, General, ich singe. Der Captain dort drüben war Zeuge, wie ich die ganze letzte Woche nichts anderes getan habe.«
Die ganze Woche …
Man hatte sie vorher gewarnt. Nach dem 11.9, dem 12.12. und all den anderen terroristischen Anschlägen waren die Sicherheitsmaßnahmen für die Einstellung von neuem Personal in der Armee langwierig und streng, aber das hier war einfach lächerlich. Hätte man sie nicht dafür bezahlt, dass sie sich all diesen Befragungen und Tests unterzog, sie hätte sich längst aus dem Staub gemacht.
Tap, tap, tap.
Ella grinste dem General verschmitzt zu. »Soll ich Ihnen was vorsingen, General?«
Der General schüttelte den Kopf. Sein tadellos gekämmtes graues Haar bewegte sich kein bisschen. Wahrscheinlich hatte seine Frisur den Befehl, stramm zu liegen. Und der Mann selbst sah nicht so aus, als duldete er irgendwelchen Widerspruch. »Nicht nötig, Miss Thomas. Captain Sanderson ist unser Experte in der Armee für alles, was mit Musik zu tun hat.«
Der Blick des Generals schweifte zurück zu dem Bericht, der genau in der Mitte seines blitzblank polierten Schreibtischs lag.
»Sie singen Jazz, Miss Thomas?«, fragte er.
Dumme Frage Nr. 2.
Klar sang sie Jazz.
Nur wollte kein Mensch es hören. Nicht mehr. Jazz war Musik für alte Leute. Jazz war so out, wie man es sich nur vorstellen kann. Aber vielleicht stand der General ja auf dieses alte Zeug, dachte Ella. Gruftig genug sah er aus, andererseits wirkte er einen Hauch zu verklemmt und zugeknöpft, um ein echter Jazzfan zu sein.
Neee …
Ella konnte sich ihn nicht mit einem Barret und einer Bebop-Brille vorstellen, während er mit dem Fuß wippte und die Musik genoss.
»Ja schon, ich singe Jazz. Jazz war meine erste Liebe. Mein Vater war ein wirklich cooler Trompeter und brachte mir alles bei, was man wissen muss, um Jazz zu spielen. Daher, ja, General, singe ich auch Jazz, aber meistens nur unter der Dusche. Die Leute interessieren sich nicht mehr dafür.«
Captain Sanderson mischte sich in das Gespräch ein. »Miss Thomas hat eine wunderbare Stimme, Sir, mit einem großen Umfang und einem interessanten Timbre. Und sie hat ein hervorragendes Timing. Ich bin sicher, dass Miss Thomas eine vorzügliche Jazzsängerin abgeben wird.«
Ella reckte stolz die Brust und strahlte den General an. Sie mochte Komplimente, und es gefiel ihr, wenn attraktive Kerle wie der Captain sagten, dass sie eine gute Stimme habe. Und wenn sie es recht betrachtete, war dieser Captain irgendwie süß, wenn auch ziemlich steif, verkrampft und formell. Bürstenhaarschnitte waren auch nicht unbedingt ihr Ding.
Der General nickte zustimmend und wandte sich schweigend wieder Ellas Akte zu. »Der Gesundheitscheck scheint zufriedenstellend zu sein«, sagte er leise, nicht an jemanden speziell gerichtet. Er sah auf und musterte sie mehrere Sekunden lang ohne ein Wort. »Und hübsch genug ist sie auch«, sagte er schließlich.
Möglich, dass es als Kompliment
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