Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
Papier zu holen, wurde aber von Vitus zurückgehalten, der ihn fragte:
    »Darf ich Professor Girolamo einen Gruß mitschicken?«
    »Sì, sì, warum nicht?«
    Eine Stunde später stieg Bussola auf, an einem Bein die Grüße an Fabios Familie, am anderen einen Kurzbrief an den Professor. Vitus berichtete darin, wie es ihnen ergangen war, erwähnte den Schutzring aus Feuer und beschrieb danach die Formen und Farben der Bubonen, die er an den Pesttoten gesehen hatte, und ging besonders auf den Zusammenhang zwischen den Flohbissen und der Position der Beulen ein. Nach seiner Beobachtung, so schrieb er, zöge ein Biss im Arm die Beulenbildung in der Achselhöhle nach sich, ein Biss im Bein einen Auswuchs in der Leiste. Er fragte, was der Professor von seiner These halte, nach der das Anschwellen der Lymphknoten eine Abwehr gegen die Pestmiasmen sei, damit diesen der Weg in den Rumpf des Körpers und damit zu den lebenswichtigen Organen verwehrt werde. Er entschuldigte sich für die Kürze des Briefs, grüßte auch vom Magister und vom Zwerg und versicherte abschließend, niemand müsse sich um ihn und seine Gefährten Sorgen machen.
    Kaum war Bussola am Horizont verschwunden, begann es zu regnen, was Fabio sorgenvoll zum Himmel blicken ließ. Er hatte Angst um seine Schöne, seine Holde. In der Tat waren dunkle Wolken aufgezogen, und ein kräftiger Wind wehte aus Südwest.
    Unerwartet tauchte der Zwerg auf, die Muskete auf dem Rücken. »Kronig Jamm«, fistelte er, »muss mit dir truschen, Vitus.«
    »Nanu, was gibt’s? Es ist noch keine vier. Das Stundenglas müsste mindestens noch einmal gedreht werden bis zum Ende deiner Wache. Geht das Feuer aus?«
    »No, no, nee, nee. Der Prasselmann brändelt.« Enano nestelte unsicher an seinem Gürtel.
    »Komm erst einmal ins Zelt. Was ist es dann? Hast du etwas entdeckt? Nähert sich ein Fremder?«
    »No, no, nee, nee. ’s is bloß wegen Antonella. Ihr is nich gut. Fühlt sich mall.«
    »Dann soll sie sich hinlegen. Ich schaue gleich nach ihr. Du drehst inzwischen deine Runden weiter.«
    »Is gut, Vitus.« Der Zwerg klang ungewohnt zahm, machte kehrt und nahm seine Runden wieder auf.
    Als Vitus wenig später die Bürstenbinderin in ihrem abgeteilten Zelt aufsuchte, lag diese lang ausgestreckt auf ihrer Bettstatt aus Stroh, die Decke bis ans Kinn hochgezogen, das Gesicht schweißglänzend. Er hockte sich neben sie und legte ihr die Hand auf die Stirn. »Fieber hast du anscheinend nicht. Sage mir, ob dir etwas wehtut, und wenn ja, wo.«
    Antonella gab einen unterdrückten Seufzer von sich und wandte das Gesicht ab.
    »Wenn du mir nicht antwortest, kann ich deine Krankheit nicht erkennen.«
    »Mir fehlt nichts, Cirurgicus.«
    »Natürlich fehlt dir etwas. Oder hast du dich zum Spaß niedergelegt? Der Zwerg macht sich Sorgen um dich. Also, heraus mit der Sprache.«
    Doch Antonella schwieg. Nur ab und zu ging ein Zittern durch ihren Leib, und sie stöhnte leise auf.
    Vitus wartete eine Zeit lang, darauf hoffend, dass sie es sich anders überlegte, doch dann gab er es auf. Wer sich nicht helfen lassen wollte, dem war auch nicht zu helfen. Als er aufstand und fortging, rief sie ihm nach:
    »Nachher stehe ich wieder auf und koche wie immer.«
    Er schüttelte den Kopf und glaubte nicht daran. Aber er sollte sich getäuscht haben. Als der Zwerg um vier von der Wache kam und Fabio und Guido übernommen hatten, stand sie auf und traf die Vorbereitungen für das abendliche Mahl. Enano half ihr dabei. Er schürte das Feuer, reinigte den Kessel, holte Wasser, schnitt Speck und Würste in kleine Würfel und redete bei alledem ohne Unterlass mit ihr.
    »Verstehst du, was die beiden so Wichtiges besprechen?« Der Magister hatte ein Nachmittagsschläfchen gehalten, war erwacht und gähnte nun ausgiebig.
    »Nein, aber Antonella ging es vorhin nicht sehr gut. Etwas stimmt nicht mit ihr. Was, das wollte sie mir nicht verraten.«
    »Typisch Frau. Immer müssen sie sich mit Geheimnissen umgeben. Na, Hauptsache, sie ist wieder gesund. Übrigens, was suchst du da in deiner Kiepe?«
    »Nichts. Ich überprüfe nur meinen Kräutervorrat. Antonellas Unwohlsein hat mich daran erinnert, dass ich mal wieder eine Bestandsaufnahme machen muss.«
    »Aha, nun, ich spüre ein menschliches Regen. Werde mich mal zum Abtritt begeben.« Der kleine Mann verschwand hinter der Mauer aus Scheitholz.
    Vitus rief: »Wenn du fertig bist, könntest du unsere gemeinsamen Hinterlassenschaften vergraben, es fängt allmählich an,

Weitere Kostenlose Bücher