Die Mission des Wanderchirurgen
von ihr umzingelt.«
»
Sì, amico mio,
das tat ich.«
»Wenn wir nun also keine Möglichkeit haben, der Seuche zu entkommen, können wir auch gleich hier bleiben.«
»
Sì,
und dann? Dann werden wir alle zu Kaninchen, die auf die Schlange Pest warten. Oh,
Dio mio,
das ist keine gute Idee!«
»Vielleicht doch. Wir haben hier alles, was wir brauchen. In erster Linie ausreichend Wasser.«
Guido, den Geigenkasten neben sich, schüttelte den Kopf. »Cirurgicus, du scheinst zu vergessen, dass der Brunnen keine fünfzig Schritt von dem verseuchten Haus entfernt ist. Jedes Mal, wenn wir Wasser holen, würden wir uns in höchste Gefahr begeben. Das wäre auf die Dauer kein Zustand.«
»Wui, wui, un nix zu spachteln alleweil, würden nur Windsuppe essen un Luftklöße schnappen!«
»Richtig«, fiel der Magister ein, »das Wichtigste aber ist, dass jeder hergelaufene Pestkranke uns anstecken würde. Wir könnten das auf die Dauer gar nicht verhindern.«
Vitus seufzte. Er hatte gewusst, dass es nicht leicht werden würde. »Passt auf, hört mir zu und lasst mich ausreden. Also: Wir werden bleiben, aber nicht genau an dieser Stelle. Wir werden unseren Platz zum Brunnen hin verlegen. So haben wir leichteren Zugriff auf das Wasser. Anschließend werden wir das neue Lager auf das Sorgfältigste säubern, damit wir sicher sein können, dass sich kein Ungeziefer mehr am Boden aufhält. Keine Wanzen, keine Läuse und vor allem keine Flöhe. Dann werden wir einen Ring aus Feuer anlegen. Der Ring wird unser Lager und den Brunnen umschließen. Er wird einen Durchmesser von zwanzig Schritten haben, und er wird Tag und Nacht brennen. Ich weiß, dass euch jetzt wieder tausend Fragen auf der Zunge liegen, aber lasst mich weitersprechen: Der Ring wird unser Schutz sein, unsere selbst gewählte Quarantäne. Die Pestis wird ihn nicht durchbrechen, das weiß ich, denn ich habe schon einmal zu diesem Mittel gegriffen. Im letzten Jahr war es, als ich ein Schutzfeuer um Greenvale Castle anlegen ließ. Was damals im Großen gelang, wird hier im Kleinen gelingen.«
»Un wenn der Niesel nu die Brändelei zischt?«, fragte der Zwerg.
»Du meinst, wenn der Regen das Feuer löscht? Dann werden wir es wieder neu entzünden. Weiter: Ihr fragt euch vielleicht, woher wir das ganze Brennmaterial nehmen sollen. Die Antwort: Am Haus dort hinten lagern erhebliche Mengen an Scheitholz. Der Bauer muss sie über Jahre hinweg angelegt haben. Warum? Weil er nicht nur Bauer war, sondern auch eine Räucherei betrieb. Im Haus befindet sich eine Kammer, in der Schinken, Speck und Würste in großer Zahl von der Decke herabhängen, damit kein Nagetier herankommen kann.«
Abermals veränderte Vitus seine Sitzposition, dann fuhr er mit seiner Rede fort: »Nun, Freunde, damit sind schon die wichtigsten Fragen beantwortet: die nach dem Schutz und die nach der Nahrung. Was bleibt, sind Einzelfragen. Zum Beispiel, wer das Feuer anlegt und überwacht. Ich denke, der Zwerg sollte das tun. Es gibt keinen Besseren dafür. Weiter wollt ihr sicher wissen, warum ich von zwei Monaten, die wir hier ausharren müssen, sprach. Nun, ich habe noch heute Nacht im Werk
De morbis
gelesen. Es ist ein Buch, in dem alle Krankheiten beschrieben sind, ihre Merkmale, ihre Auswirkungen und nicht zuletzt die Schritte zu ihrer Heilung. Diesem Werk also ist zu entnehmen, dass eine Pestis-Quarantäne sogar siebzig Tage andauern soll. Wenn ich also nur von zwei Monaten sprach, so lag darin schon die Hoffnung, dass die Schlange Pest früher verendet sein wird. Abschließend möchte ich sagen, dass ich an unseren Glücksstern glaube. Wir können es schaffen, wenn wir nur wollen. Nun, was denkt ihr?«
Die Gefährten, eben noch voller Fragen und Ablehnung, schwiegen jetzt. Nur Antonella sagte langsam: »Und du bist sicher, Cirurgicus, dass du in dem Pesthaus gestern nicht angesteckt worden bist? Nach dem, was du uns erzählt hast, würde dazu ja ein einziger Flohbiss genügen.«
»Ich bin sicher. Und der Magister auch. Wir haben nichts berührt, nur den Schinken und das Scheitholz. Aber du hast Recht: Bevor wir den Feuerring anlegen, müssen wir noch ein paarmal in das Pesthaus, um Vorräte und Holz heranzuschaffen. Da heißt es vorsichtig sein.«
Fabio meldete sich: »Cirurgicus, was ist mit meinen Pferden? Was ist mit Bussola, meiner Schönen, meiner Holden?«
»Ja, die Pferde sind ein Problem. Ich muss gestehen, ich weiß nicht recht, was wir mit ihnen machen sollen. Entweder sie kommen mit
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