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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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im Lager zu stinken.«
    »Was soll ich denn noch alles machen?«, war von jenseits des Holzes zu hören. »Kann das nicht Fabio tun? Oder Guido?«
    Vitus musste schmunzeln. Er hatte Verständnis dafür, dass der kleine Gelehrte sich nicht um diese Arbeit riss. Dennoch musste sie erledigt werden. Er schloss seine Kiepe und schritt zum Wagen, von dem er zwei Schaufeln herunternahm. Dann strebte er dem Abtritt zu, wo der Magister gerade seine Tätigkeit beendet hatte. »Fabio und Guido sind auf Wache. Als ob du das nicht wüsstest. Hier, du Drückeberger, eine Schaufel. Ich helfe dir, dann geht es doppelt schnell.«
    Der Magister schniefte. »Wenn ich so schlecht riechen könnte, wie ich sehe, wäre manches leichter. Danke, du Unkraut.«
    Gemeinsam hoben sie eine Grube aus, schaufelten die Fäkalien hinein und schütteten das Loch wieder zu. Der Regen hatte aufgehört. Die Nacht brach an, und es drängte sie zum Kochfeuer, wo Antonella und der Zwerg werkelten. Die Suppe enthielt viel Fleisch und auch Gemüse, denn es war den Gefährten gelungen, in dem Bauernhaus noch einige Säcke mit Saubohnen, ungemahlenem Weizen und Rüben aufzutreiben, die in einer versteckten Vorratsgrube gelegen hatten.
    Antonella schöpfte die Suppe mit der Kelle in die gemeinsame große Schüssel. Es dampfte und zischte und roch überaus köstlich. Ihre Unpässlichkeit vom Nachmittag war ihr nicht mehr anzumerken, weshalb Vitus darauf verzichtete, nochmals die Sprache darauf zu bringen. Außerdem schmeckte es ihm viel zu gut, als dass er noch weiter daran denken mochte.
    Wahrscheinlich hatte sie nur ihre Monatsblutung.
     
    »Pssst, Sträuberin, wie strömt’s dir jetzt? Geht’s wieder glatt?« Der Zwerg hockte neben Antonella und hielt fürsorglich ihre Hand.
    »Du sollst doch nicht in mein Zelt kommen. Wenn die anderen was merken!«
    »Gickgack. Fabio un Guido ratzen, dass die Schwarte kracht, un Vitus un der Magister walzen die Rundel. Geht’s wieder glatt?«
    »Und sag nicht immer Sträuberin zu mir.«
    »Wiewo? ’n Sträuber is inner Sprache der Wolkenschieber ’ne Bürste, un du machst doch Bürsten. Also Sträuberin: Wie strömt’s dir jetzt?«
    »Es geht wieder. Aber heute Nachmittag dachte ich, ich müsste sterben. Hast du mich auch nicht verraten?«
    »Wie werd’ ich! Wann isses denn nu so weit?« Enano nahm beide Hände, um Antonellas Hand zu wärmen. Es sah aus, als hielte ein Hörnchen eine Nuss.
    »Wenn ich das wüsste.« Die Bürstenbinderin seufzte. »Wenn es doch schon vorbei wäre! Ich habe solche Angst.«
    »Bin ja bei dir. Weich nich von der Fahne.«
    »Du hast mir versprochen, mir Medizin zu geben. Der Weidenrindentrank, den der Cirurgicus vor ein paar Tagen gemacht hat, scheint gut gegen Schmerzen zu sein. Kannst du mir das Pulver nicht besorgen?«
    »Kannich, kannich, Sträuberin! Ich lenz dich doch. Un wie! Hab noch nie ’n Pupperl so gelenzt. Bist mein Lipplig!«
    »Dann bring mir das Pulver.« Antonellas Hand verkrampfte sich. Der Zwerg merkte es wohl, und er ahnte, dass eine neue Schmerzwelle von seiner Angebetenen Besitz ergriff. Rasch erhob er sich, hastete zum Männerzelt, wo Vitus’ Kiepe stand, und trat auf Zehenspitzen ein. Zufriedenes, regelmäßiges Schnarchen drang an sein Ohr. Vorsichtig ging er weiter, denn er konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Dann hatte er die Kiepe erreicht. Er tastete nach dem Döschen, dabei den Großen Machöffel anflehend, er möge geben, dass er es fand, und glaubte endlich am Ziel zu sein. Er schüttete sich auf gut Glück eine Portion in die Hand, verstaute mit der anderen das Döschen wieder und schlich hinaus. Draußen war es etwas heller, der Widerschein des Feuerrings spendete Licht. Er ging zum Kessel, nahm die Kelle und schöpfte einen Rest Suppe heraus, in die er das Pulver warf. Auf dem Rückweg zu Antonellas Zelt griff er sich einen Span aus den Holzstößen hervor und rührte damit die Suppe in der Kelle um.
    »Hab’s Pulver inner Flosse!«, flüsterte er stolz, als er sich neben der Bürstenbinderin niederließ.
    »Flosse?« Antonellas Stimme klang matt.
    »Flosse is Suppe, meine Sträuberin. Sie wird dir schmerfen, is doch das Schmerz-wech-Pulver drin! Komm, nu schmetter sie.«
    Schluck für Schluck trank Antonella den Schöpflöffel leer und ließ sich dann kraftlos zurücksinken.
    »Ich glaube, ich lenze dich auch«, sagte sie.
     
    Zwei Tage später, gegen neun Uhr abends, drehten Vitus und der Magister ihre Wachrunden, und der kleine Gelehrte meinte

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